Nachrufe

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29.1.2024



Nachruf auf eine echte Liberale: Piedad Córdoba

Die kolumbianische Politikerin, die in der Öffentlichkeit als Zeichen ihrer afrikanischen Wurzeln immer einen Turban trug, wurde als Senatorin, Menschenrechtsaktivistin und Friedensvermittlerin bekannt.
Nach ihrem Jura-Studium wurde sie 1984 Stadträtin in Medellin. 1992 wurde sie ins Parlament gewählt, 1994 dann in den Senat, wo sie bis 2010 ein Mandat für die Liberale Partei Columbiens (PLC) innehatte. Die PLC, welche Teile der korrupten Oberschicht vertritt und sich jahrzehntelang die Macht mit den Konservativen abwechselnd teilte, hat auch einen starken linksliberalen, fast schon sozialdemokratisch zu nennenden Flügel, dem Cordoba angehörte.
Im Senat fiel Cordoba als streitbare Linke und Bürgerrechtlerin auf, die sich nicht scheute, sich mit der korrupten Politi-Elite anzulegen – in Kolumbien ein lebensgefährliches Unterfangen.
1999 wurde sie von rechten Paramilitärs entführt und ging nach ihrer Freilassung für eine kurze Zeit nach Kanada. Wieder zurück in Kolumbien gründete sie innerhalb der PLC die linke Plattform „Bürgermacht des 21. Jahrhunderts.
In den 2000er Jahren erlangte sie größere Bekanntheit durch ihr Engagement bei den Friedensverhandlungen zwischen der linken FARC-Guerilla und der ultrarechten Regierung
von Alvaro Uribe.
Während ihrer Vermittlungsarbeit freundete sie sich mit dem linken Präsidenten Hugo Chavez von Venezuela an, den die kolumbianische Regierung als Vermittler hinzugezogen hatte.
2008 wurde sie für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Später war sie aktiv in einer zivilgesellschaftlichen Oppositionsbewegung namens „Patriotischer Marsch“ gegen das rechte Regime in Kolumbien.
Die Regierung hatte ihr irrerweise die Rechte als Senatorin entziehen lassen wegen ihren Kontakten zur FARC, was als Vermittlerin nun einmal nicht ausbleibt. 2016 machte der Staatsrat das Politikverbot wieder rückgängig. 2022 wurde sie erneut als Senatorin – diesmal für das Bündnis „Historischer Pakt“ des neuen linken Staatschef Gustavo Petro gewählt.

Piedad Cordoba starb am 20. Januar 2024 in ihrer Geburtsstadt Medellin im Alter von 68 Jahren an einem Herzinfarkt. Mit ihr hat Kolumbien eine große Demokratin verloren.



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4.5.2021


Nachruf auf einen Wüstencowboy: Idriss Déby




24.4.2021. Am Mittag des 20. April gab das tschadische Militär in einer kurzen Stellungnahme bekannt, daß der seit 1990 regierende Staatspräsident Idriss Déby an der Front beim Kampf gegen die bewaffneten Rebellen der „Front für Wandel und Eintracht im Tschad“ (FACT) getötet worden sei.
„Er übernahm die Leitung der Operationen beim heroischen Kampf gegen die terroristischen Horden, er wurde bei den Gefechten verwundet und hauchte die Seele aus, als er nach N'Djamena zurückgebracht worden war“, erklärte die Armee.
Dies war im Prinzip für Déby nichts Ungewöhnliches. In seiner 30-jährigen Amtszeit als Staatspräsident und Oberkommandierender der Streitkräfte schien er sich immer für den zweiten genannten Job mehr zu interessieren als für den ersten.
Auch nun hatte er mit sagenumwobenen 79,3% die Präsidentschaftswahlen am 11. April gewonnen. Der Zweiplatzierte, sein ehemaliger Regierungschef Albert Pahimi Padacké vom zeitweiligen Koalitionspartner RNDT (Nationale Sammlung für Demokratie im Tschad) bekam gerade mal 10,3%, die meisten oppositionellen Kandidaten boykottierten die Wahl, weil sie kaum Wahlkampf machen durften.
Eine Woche brauchte die Wahlkommission um das Ergebnis auszuzählen (andere sagen: zusammenzuschustern). Doch am Wahltag selbst waren die FACT-Rebellen ins Land eingedrungen, um den Präsidenten zu stürzen. Nach einigen Gefechten mit der Armee wurden die Reihen der FACT zwar ausgedünnt, aber aufzuhalten schien sie nicht. Eine Angelegenheit also, um die sich der „Wüstencowboy“, wie ihn seine französischen Gönner aufgrund von Débys Tollkühnheit und Entschlossenheit nannten, persönlich kümmern mußte! Er sagte seine Siegesrede kurzerhand hab, brauste an die Front, schwang sich auf ein Einsatzfahrzeug und bretterte als Feldkommandant in die Schlacht, wo ihn kurz darauf eine Kugel in die Brust traf! Der Schock für die Armee und selbst für das Volk saß tief! Déby hatte so viele Gefechte geführt, so oft ging es mehr als knapp für ihn zu, doch besiegt werden, war für ihn keine Option. Der „grandiose Nichtunterzukriegende“ nannten die Tschader ihren Präsidenten – wohl so ein ähnlich zweifelhafter Ehrentitel wie in Deutschland „Gröfaz“.
Aber schließlich hatte Déby so viele Gefechte und Umsturzversuche – oft äußerst knapp – überstanden, daß seine Standhaftigkeit zur Legende wurde.
So kommandierte er 2008 ungerührt seine letzten 2.000 loyalen Soldaten (die Armee befand sich teilweise schon in Auflösung) gegen ebenfalls mehrere Tausend in die Hauptstadt N´Djamena eingedrungenen schwer bewaffneten Rebellen, welche sich bis auf wenige hundert Meter an den Präsidentenpalast herangekämpft hatten. Das Angebot der Franzosen, ihn auszufliegen, lehnte er ab. Déby wußte, daß die Zeit für ihn spielte. Der Hauptstadtflughafen wurde von den französischen Soldaten gehalten, um Ausländer zu evakuieren. Aus dem Libyen Muammar al-Ghaddafis waren Flugzeuge mit Munitionsnachschub unterwegs und in der sudanesischen Grenz- und Bürgerkriegsprovinz Darfur hatte sich die von Tschad unterstützte Rebellengruppe Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit (JEM) mit ihren Pick Ups in Marsch gesetzt, um den bedrängten Déby zu unterstützen. Die tschadischen Truppen kappten den Rebellen in der Hauptstadt die Nachschubverbindungen und schon bald ging ihnen der Sprit aus. Mit Hilfe der JEM wurden sie dann vollständig besiegt.

Mehr Soldat als Politiker

Déby wurde an französischen Militärschulen zum Offizier und Hubschrauberkampfpiloten ausgebildet. Sein militärisches Geschick und strategisches Können sowie sein Wagemut galten damals schon als legendär und seine französischen Ausbilder gaben ihm deshalb den Beinamen „Wüstencowboy“.
In den 80iger Jahren diente Déby als Sicherheitsberater des damaligen Diktators Hissené Habre, bis sich die beiden nach ein paar Jahren zerstritten.
In der Nacht vom 1. auf den 2. April versuchten Déby und Hassan Djamouss, ebenfalls ein hoher Offizier aus dem Volk der kleinen Zaghawa-Minderheit, den Tyrannen umzubringen. Der Versuch scheiterte und beide mußten fliehen. Déby und Djamouss galten bereits zu dieser Zeit als legendäre Kriegshelden, welche die letzten Seriensiege gegen die überlegene libysche Armee errungen hatten.
Auch hier hatte Déby wieder unverschämtes Glück. Nach dem mißlungenen Putschversuch wurde er auf der Flucht verwundet und konnte bis in den Sudan fliehen, während Djamouss gefangengenommen und von Habrés Armee zu Tode gefoltert wurde.
Déby vollzog wieder eine seiner taktischen Wendungen, flog nach Tripolis zu Libyens Revolutionsführer Muammar al-Ghaddafi um Hilfe für einen Feldzug gegen das tschadische Regime zu erbitten. Als Mitbringsel übergab er dem Libyer Informationen über seinen Erzfeind Khalifa al-Haftar, einen hochrangigen libyschen General der Interventionstruppen im Tschad, welcher die Fronten gewechselt hatte, nachdem er in Gefangenschaft geraten war und nun eine CIA-finanzierte Widerstandsbewegung gegen Ghaddafi führte. Déby war Habrés Verbindungsmann zu Haftar gewesen.
Drei Feldzüge startete Déby gegen die Hauptstadt mit seiner Rebellenbewegung, die er Patriotische Heilsbewegung (MPS) nannte. Der dritte Angriff im Dezember 1990 war erfolgreich, Habré gab auf und floh. Auch die Franzosen schienen damals erkannt zu haben, daß Dèby eher der Mann war, der den tschadischen Konflikt entwirren könnte. Er verbesserte die Beziehungen zu Libyen und zum Sudan, ohne die engen Bindungen an Frankreich zu lösen. Haftars Widerstandsgruppe wurde aber nicht nach Tripolis ausgeliefert, sondern Déby erlaubte den USA die Kämpfer auszufliegen. Eine Entscheidung, die sich nach dem Sturz Ghaddafis noch einmal bezahlt machen sollte...

Nach der Machtübernahme leitete Déby eine Nationalkonferenz mit allen relevanten politischen und gesellschaftlichen Akteuren ein zur Ausarbeitung einer Verfassung. Es wurden Oppositionsparteien und unabhängige Medien zugelassen. Doch schon damals hatte man den Eindruck, der neue Präsident verschleppe die Reformen. Zu den ersten freien Wahlen kam es erst 1996 – das erste und letzte Mal übrigens, daß Déby in eine Stichwahl mußte. Später „organisierte“ seine Wahlsiege im ersten Durchgang.

Das Mehrparteiensystem und freie Medien, die aber beide über die Jahre immer wieder mehr beschränkt wurden, sind Débys wichtigstes Erbe. Nicht für ihn, aber für die Bevölkerung. In Sachen Entwicklungspolitik tat sich in den letzten 30 Jahren kaum etwas. Die Zahlen, welchen den Zugang zu Trinkwasser oder sanitären Einrichtungen markieren, gingen in den letzten Jahren sogar zurück – offenbar, weil sie nicht mit dem Ansteigen der Bevölkerungszahlen Schritt hielten.

Man konnte den Eindruck gewinnen, das Führen von Kriegen war diesem Militär-Präsidenten wichtiger, als die Entwicklung des eigenen Landes zu fördern. Gelder aus den spärlichen Erdöleinnahmen flossen zu großen Teilen in die Armee, Débys Steckenpferd.

Wenn es keinen Krieg im eigenen Land gab, wurde einer gesucht. Tschadische Truppen kämpften in Nigeria, in Mali, im Niger, im Kongo, der Zentralafrikanischen Republik, in Kamerun und in Libyen, wo der Tschad das einzige Land war, welches dem 2011 von der NATO angegriffen Ghaddafi direkte militärische Unterstützung gab.

Nach dessen Sturz verbündete sich Déby aber mit dem säkularen General Khalifa al-Haftar, welcher den Osten Libyens kontrollierte und dort gegen militante Islamisten vorging.

Mit Hilfe französischer und US-amerikanischer Ausbilder wurde die tschadische Armee zu einer der schlagkräftigsten der Region ausgebaut. Obwohl sie insgesamt nur rund 25.000 Mann zählte, mußte sie vor ein paar Jahren auch im „taumelnden Riesen“ Nigeria einrücken, um die islamistische Terror-Armee „Boko Haram“ zu bekämpfen, wozu die auf dem Papier viel mächtigere nigerianische Truppe nicht in der Lage war.

Déby erklärte damals öffentlich, daß Tschad seit Wochen auf nigerianischem Gebiet Krieg gegen Boko Haram führe, aber seine Truppen noch nicht einen einzigen nigerianischen Soldaten zu Gesicht bekommen hätten.

Er schaffte es mit der militärischen Unterstützung diverser westlicher „Anti-Terror-Missionen“, wie z.B. jene in Mali, für den Westen unverzichtbar zu werden. Die Initiative „G5 Sahel“, ein Bündnis aus Mauretanien, Mali, Tschad, Niger und Burkina Faso, welches sich Entwicklung, Armutsbekämpfung und Förderung der Sicherheit der Wüstenregion zum Ziel gesetzt hatte, schuf eine eigene 5.000 Mann starke Eingreiftruppe, welche der zunehmenden Ausbreitung regionaler islamistischer Terrormilizen einen Riegel vorschieben sollte. Auch hier stellte der Tschad den Großteil der Soldaten.
Dadurch ließ Paris dem „Boss des Sahel“, wie Déby sich zum Schluß sich selbst gern nannte, nahezu alles durchgehen.

Seit dem Sturz Ghaddafis in Libyen galt der Tschad, wie auch der Niger, als ein „Schlüsselland“ bei der Bekämpfung der „illegalen“ Migrationen nach Europa. Déby wußte, je mehr der Westen sich auf ihn verließ, desto mehr konnte er sich in Sachen Menschenrechten und Machtsicherung erlauben. Seine letzten Regierungsjahre waren gekennzeichnet von zunehmender Unterdrückung der Opposition und dem Ausbau der eigenen Macht. Während er der Opposition mit Verweis auf die Corona-Lage eigene Kundgebungen verbot und zeitweilig die sozialen Netzwerke im Internet abschalten ließ, um die Organisation des zivilen Widerstandes gegen sein Regime zu erschweren, ließen er und seine zur Partei umgeformte MPS Wahlkampfkundgebungen im ganzen Land abhalten.

Eine Verfassungsänderung, welche er zuvor per Volksentscheid legitimieren ließ, sorgte nicht nur für die Abschaffung der Ämter des Premierministers und des Vizepräsidenten, was ihm die Konzentration weiterer Macht in seinen Händen ermöglichte. 2018 (?) ließ sich Déby vom Parlament zum einzigen Marschall des Tschad ernennten, einen Titel, der ihm laut eigener Aussage wegen seiner (durchaus herausragenden) „Verdienste an der Waffe“ (O-Ton) zustünde.

Zwar sicherte sich Déby mit der Verfassungsänderung weitere Amtszeiten, doch die Abschaffung des Ministerpräsidenten, den er regelmäßig auswechselte und dem er quasi die Schuld für Regierungsversagen in die Schuhe schieben konnte, war ein taktischer Fehler. Nun war der Präsident selbst für alle Fehlentscheidungen in der Regierung verantwortlich. Offenbar war sich Déby am Ende seiner Herrschaft seiner Sache zu sicher.

Als Bilanz seiner 30-jährigen Herrschaft kann man zusammenfassen, daß Déby durch seine Schaukelpolitik dem notorischen Unruheherd Tschad einen labilen Frieden bewahrte, aber nicht in der Lage war, trotz der Erdöleinnahmen für eine nachhaltige Entwicklung des Landes zu sorgen.

Nach seinem Tod übernahm eine Militärjunta die Macht und setzte Débys Sohn Mahamat, selbst General und Kommandeur einer Eliteeinheit, als Präsidenten ein. Dieser plant das Land 18 Monate zu regieren und danach Wahlen abhalten zu lassen, wogegen die Opposition Sturm läuft. Nach der Verfassung hätte der Parlamentschef das Präsidentenamt übernehmen und innerhalb von 30 Tagen Neuwahlen einleiten müssen.
Um die Opposition zu beschwichtigen ernannte Déby jr. nun Albert Pahimi Padacké, den Gegenkandidaten seines Vaters bei der letzten Wahl, zum Premierminister.







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28.12.2020



Nachruf auf einen Demokratisierer: Jerry John Rawlings

Im Mai 1979 scheiterte der Luftwaffenhauptmann aus Ghana mit einem Putsch gegen die herrschende Militärregierung. Einen Monat später versuchte er es erneut und war diesmal erfolgreich. Er ließ einige führende Offiziere der Junta und deren Staatspräsidenten Akuffo und Acheampong wegen Korruption und Amtsmißbrauch hinrichten. Nach wenigen Monaten gab er die Macht an eine Zivilregierung unter Prof. Hilla Limann von der Nationalen Volkspartei (PNP), die sich ideologisch auf den sozialistischen Staatsgründer und ersten Präsidenten Kwame Nkrumah berief.
Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Limann-Regierung und eine anhaltende Wirtschaftskrise veranlaßten Rawlings 1981 zu einem erneuten Putsch. Diesmal sollte er die Macht aber nicht wieder so schnell abgegeben.
Begann er seine Herrschaft als überzeugter Sozialist, so wandelte er sich unter internationalem Druck zu einem Befürworter der Privatwirtschaft. 1992 hob er das Parteienverbot auf und etablierte ein Mehrparteiensystem.
In der Folge trat Rawlings zweimal als Kandidat an und ließ sich demokratisch zum Staatschef wählen, bevor er sich um die Jahrtausendwende aus der aktiven Politik zurückzog.
Seine – heute als „sozialdemokratisch“ eingestufte Partei Nationaler Demokratischer Kongreß (NDC) - ist das Gegenstück zur konservativen Neuen Patriotischen Partei (NPP), die beide die Grundlage eines stabilen Zweiparteiensystems bilden und sich an der Macht abwechseln.
Jerry John Rawlings, der als „Vater der ghanesischen Demokratie“ gilt, starb im November 2020 im Alter von 73 Jahren.
Bei den Präsidentschaftswahlen 2020 trat Rawlings Witwe, Nana Konadu Agyeman-Rawlings, als Kandidatin an für ihre neue Partei an, doch das Rennen machten die beiden NDC- und NPP-Kandidaten unter sich aus.



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10.12.2020



Nachruf auf einen Soldaten der Demokratie: Amadou Toumani Touré



Als der „Wind des Wandels“ im Zuge des Endes der Blockkonfrontation zu Beginn der 90er Jahre auch durch Afrika wehte, geriet auch das korrupte Regime des seit 1971 amtierenden Militärherrschers Moussa Traroré immer stärker unter Druck. Nach Massendemonstrationen übernahm eine Gruppe junger Offiziere unter Amadou Toumani Touré die Macht. Es wurde allgemein erwartet, daß nun eine neue Militärdiktator folgen würde, doch Touré, wegen seinen Initialen in Mali nur „ATT“ genannt, leitete eine Demokratisierung ein und trat nach wenigen Monaten an der Staatsspitze wieder zurück.
Mali wurde fortan neben Benin ein demokratischer Musterschüler in Afrika. Auf ATT folgte der erste frei gewählte Präsident Alpha Oumar Konare, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte. So warf ATT, im Volk noch immer populär und als „Soldat der Demokratie“ verehrt, für die Opposition seinen Hut in den Ring und wurde 2002 zum neuen Staatschef gewählt.
Leider brachen nach einiger Zeit wieder Unruhen durch das notorisch rebellische Nomadenvolk der Tuareg aus. ATT versuchte zunächst mit militärischen Mitteln diese Rebellion in den Griff zu bekommen, schwenkte aber – unterstützt von algerischer Vermittlung und libyschem Geld – auf einen diplomatischen Kurs um und erreichte durch Verhandlungen mit den Tuareg einen labilen Frieden.
Libyens Revolutionsführer Muammar al-Ghaddafi, der sich als „Schutzpatron“ aller Tuareg in den Sahelstaaten sah, zahlte dem Nomadenvolk Geld, damit es die Waffen ruhen ließ. Als Libyen von der NATO überfallen wurden, kämpften viele freiwillige Tuareg auf Seiten Ghaddafis. Nach dessen Sturz und Ermordung durch Islamisten kehrten Hunderte nun schwer bewaffnete Tuareg nach Mali zurück. Sie schlossen sich mit anderen Tuareggruppen zusammen und kämpften für die Errichtung eines unabhängigen Staates „Azawad“. Gleichzeitig nahmen islamistische Aktivitäten zu. Die nur unzureichend ausgestattete und ausgerüstete 7.000-Mann-Armee kassierte eine Niederlage nach der anderen und bald beherrschten die Rebellen zwei Drittel des Landes.
Untere Armeeränge unter Hauptmann Amadou Haya Sanogo putschten nur wenige Monate vor Ende der Amtszeit von ATT gegen diesen, weil sie es leid waren, als „Kanonenfutter“ an der Front verheizt zu werden. Sanogo ernannte sich selbst zum neuen Staatschef und ATT tauchte unter. Bald war klar, daß die internationale Gemeinschaft diesen Putsch nicht akzeptieren würde und Sanogo gab die Macht übergangsweise an den Parlamentspräsidenten ab, der Neuwahlen einleitete.
ATT ging mit seiner Familie ins senegalesische Exil, kehrte aber 2019 zurück. Touré versuchte in seiner Amtszeit die gesellschaftlichen Probleme seines Landes durch Dialog zu lösen. Daß er damit scheiterte, kann man ihm nur bedingt anlasten. So gilt der Sturz Ghaddafis nicht nur als auslösendes Moment des Bürgerkrieges in Libyen, sondern auch in Mali.
ATT starb im Alter von 72 Jahren in der Türkei, wo er sich zu einer Herzoperation aufhielt.







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7.2.2020



Nachruf auf einen Vermittler: Sultan Qabus bin Said

Mit 49 Dienstjahren gehörte Qabus bin Said, der seit 1970 herrschende Sultan von Oman, zu den am längsten regierenden Machthabern in der arabischen Welt.
Im Jahre 1970 stürzte er in einer filmreifen Palastrevolte seinen Vater Sultan Said Ibn Taimur, der das in Land in einer mittelalterlichen Isolation gehalten hatte. Qabus hatte sich mit dem jungen Scheich Buraik ibn Hamud al-Ghafiri verbündet und stellte Sultan Taimur in seinen Räumlichkeiten. Obwohl die Palastwache den Coup offenbar unterstützte, wehrte sich der Sultan mit einer automatischen Pistole und verletzte Scheich Buraik am Schenkel. Beim Nachladen schoß sich Taimur selbst in den Fuß und gab daraufhin auf.
Mit der Machtübernahme von Qabus bin Said setzte eine umfangreiche Modernisierung des rückständigen Landes ein. Während es unter seinem Vater nur wenige Kilometer asphaltierte Straße im Land und ein einziges Postamt gab, machte sich Qabus nun daran, den Anschluß an das 20. Jahrhundert zu suchen und errichtete eines der liberalsten Systeme in den Golfstaaten.
Die vom sozialistischen Südjemen unterstützte Rebellion in den Westprovinzen bekam er mit Unterstützung des Iran, der damals noch eine Monarchie war, in Griff. Viele soziale Reformen, die durchführen ließ, dienten auch dazu, die Unzufriedenheit in den unruhigen Provinzen klein zu halten. Auch im Bereich des Umweltschutzes erlies Oman strenge und fortschrittliche Gesetze.
Der Sultan blieb ein absoluter Herrscher und übte gleichzeitig die Ämter des Staatsoberhauptes, des Regierungschefs, des Außen- und des Finanzministers aus. Auch ein Parlament im eigentlichen Sinne gab es nicht, sondern nur einen Konsultativrat wie im benachbarten Saudi-Arabien, Katar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten. Parteien waren nicht zugelassen. Doch im Unterschied zu Saudi-Arabien, wo die Mitglieder des Rates vom König ernannt wurden, ließ Qabus sie vom Volk in Wahlen bestimmen. Im Laufe der Jahre ließ er Schritt für Schritt immer mehr kleine Demokratisierungsmaßnahmen zu.
Auch Kommunalparlamente wurden in Wahlen bestimmt.

Trotz der bescheidenen demokratischen Fortschritte kann man die Herrschaft des Sultans als autoritär, aber „weise“ im klassischen Sinne bezeichnen und als gemäßigter als in den anderen Golfmonarchien. Politische Kritiker wurden zwar verurteilt, aber oft vom Sultan kurz darauf wieder begnadigt.
Qabus sorgte dafür, daß das Volk von den Einnahmen aus dem Erdölgeschäft profitierte. Dieser allgemeine Wohlstand war auch ein Grund, warum viele Omanis die Herrschaft des Sultans akzeptierten.
Auf diplomatischem Parkett spielte Qabus jahrzehntelang die Rolle des stillen Vermittlers zwischen den Konfliktparteien, in dem er Kontakt zu allen Seiten unterhielt. Einerseits war er ein militärischer Verbündeter des Westens, der die USA einen Truppenstützpunkt im Land errichten ließ und dessen Staat über den Golf-Kooperationsrat in den Herrschaftsbereich Saudi-Arabiens eingebunden war. Gleichzeitig ließ sich der Sultan nie ganz vereinnahmen und sträubte sich gegen das saudische Diktat. So unterhielt der Oman zum Beispiel immer auch gute Kontakte zum Iran, er weigerte sich, sich an den Sanktionen gegen Syrien zu beteiligen und gewährte der von den NATO-Ländern und den Golfstaaten gestürzten und gejagten Familie des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Ghaddafi Asyl.
Diese Art einer beschränkten Neutralitätspolitik ließ den Oman auch im derzeitigen jemenitischen Bürgerkrieg als glaubhaften Vermittler erscheinen, der etliche Abkommen zwischen den Kriegsparteien erreichen konnte.
In zahlreichen Konflikten spielte der Oman die Rolle des stillen „Brückenbauers“, der Kontakt zu allen Seiten hielt, wenn diese schon längst nicht mehr miteinander sprachen. So gehörte der Oman zu den wenigen arabischen Ländern, welche Israels umstrittenen Machthaber Benjamin Netanjahu eingeladen hatten, um mit ihm über den Nahost-Konflikt und die Palästinenserfrage zu sprechen.

Viele Omanis sorgten sich um die Zeit nach der Herrschaft des Sultans, da dieser keine Familie hat und keine Nachkommen. Eine kurze Ehe in den 70iger Jahren blieb kinderlos.
Deshalb ließ er testamentarisch festlegen, daß sein Cousin, der bisherige Kulturminister Haitham bin Tarik al Said sein Nachfolger werde.
Dieser hat bereits angekündigt, den Kurs der „Nichteinmischung“ und friedlichen Außenpolitik fortzusetzen.





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24.9.2019



Nachruf auf einen gefallenen Helden: Robert Mugabe

Nach dem Besuch einer Missionsschule und dem Studium der Philosophie, Erziehungs- und Wirtschaftswissenschaften ging der 1925 geborene Robert Gabriel Mugabe in das damals noch zum britischen Kolonialreich zählende Ghana, wo er sehr von dem großen Panafrikanisten und Sozialisten Kwame Nkrumah (Staatschef 1957-66) beeinflußt wurde.
Zurückgekehrt nach Simbabwe schloß er sich 1960 der Zimbabwe People´s Union (ZAPU) von Joshua Nkomo an, wechselte aber drei Jahre später zur konkurrierenden radikaleren ZANU (Zimbabwes National Union), die er später übernahm.
Der Kampf für die Unabhängigkeit Simbabwes brachte Mugabe von 1964-74 erneut ins Gefängnis, wo er im Fernstudium Jura studierte und promovierte.
Bei den Wahlen 1979 – nach dem Ende des weißen Siedlerregimes von Ian Smith – war die ZANU erfolgreich, Mugabe wurde 1980 erster Premierminister des unabhängigen Landes.
International war die Regierung Mugabes in den 80iger Jahren hoch geachtet, doch auch damals fielen schon Schatten auf seine Herrschaft. So setzte er z.B. die Armee gegen Aufständische im Matabele-Land ein und ließ die Rebellion blutig niederschlagen, was zu Tausenden von Toten führte.
Nach gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen ZANU und Nkomos ZAPU kommt es 1987 zum Zusammenschluß beider Parteien, Mugabe steigt zum Staatspräsidenten auf.

Die Mehrheit des fruchtbaren Ackerlandes befindet sich zu diesem Zeitpunkt immer noch in den Händen weniger weißer Großfarmer, die nur rund 1% der Bevölkerung ausmachten. Obwohl er als radikaler Sozialist gilt, hielt Mugabe sich an sein den Briten gegebenes Versprechen, mindestens 10 Jahre die Landfrage nicht anzutasten.
Ende der 90er Jahre sieht sich Mugabe gezwungen, nun endlich mit seinen Versprechen einer Landreform Ernst zu machen. Von da an geht es bergab mit dem Land. Die weißen Farmer wehren sich natürlich dagegen, mobilisieren ihre Lobby in London, die sofort gegen die Regierung Mugabe hetzt. Der Präsident wiederum schickt militante Anhänger seiner Jugendorganisation auf die Straße, Farmer werden überfallen und schwer zusammengeschlagen. Viele Weiße verlassen das Land, während auf Betreiben der Briten Sanktionen gegen Simbabwe verhängt werden. Die Inflation schnellte in ungeahnte Höhen. Viele Schwarze, die durch Mugabes Landreform nun zu Ackerland kamen, kannten nur kleinteilige Landwirtschaft zur Selbstversorgung und waren mit den großen Farmen überfordert. Dadurch und durch die Sanktionen sank die Wirtschaftskraft rapide. Inzwischen hatte sich mit der von Gewerkschaften getragen Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC) eine starke Oppositionspartei gegründet, die zunehmend auch im Westen Unterstützung fand. Die Präsidentschaftswahlen gegen MDC-Chef Morgan Tsvangirai gewann Mugabe nur noch knapp.
Obwohl Mugabe in der Bevölkerung wegen seiner historischen Leistungen ein hohes Ansehen genoß, weil er dem Land die Unabhängigkeit und dem Volk ein effizientes Bildungs- und Gesundheitssystem bescherte und den Rassismus erfolgreich bekämpfte, verfiel das Land immer mehr und die Unzufriedenheit wuchs. Mugabe reagierte mit Repression.
Nach dem Tod seiner Frau, die einen mäßigenden Einfluß auf ihn gehabt haben soll, heiratete er seine 40 Jahre jüngere Mitarbeiterin Grace, der er völlig verfallen schien. Sie wurde als raffgierige First Lady zum Inbegriff des zunehmend verhaßten Regimes.
Als Mugabe dann – zunehmend von Senilität gezeichnet – Regelungen in Gang setzte, um seine machthungrige Ehefrau als Nachfolgerin zu installieren, putschte 2017 das Militär unter seinem abgesägten Zerberus Emmerson Mnangagwa, der sich übergangen fühlte, obwohl er jahrelang die Drecksarbeit für die Regierung gemacht hatte.

Mugabe wurde aus der Partei ausgeschlossen, die Besitztümer seines Clans ließ der neue Machthaber aber unangetastet. Die Sanktionen gegen Simbabwe wurden gelockert, der Neue versprach einen neoliberalen Kurs für Investoren. Die Freude im Volk währte nicht lang, da Mnangagwa Unruhen gegen hohe Spritpreise blutig niederschlagen ließ, was sogar Kritik von Mugabe auf den Plan rief.

Der entmachtete Staatschef zog sich ins Privatleben zurück und verbitterte über seiner Absetzung. Zur letzten Wahl bekannte er sogar, daß er für die einstmals von ihm bekämpfte Opposition und nicht für die Wendehälse der ZANU-PF gestimmt hatte.

Robert Mugabe war kein brutaler Diktator, sondern ein hoch gebildeter Staatsmann, der skrupellos vorgehen konnte, wenn es die Situation erforderte. Er war auch Internationalist und ließ keine Gelegenheit aus, mutig die Kriege und Verbrechen der westlichen Staaten in der UNO scharf zu kritisieren, was viele Simbabwer mit Respekt erfüllte.
Er starb im Alter von 95 Jahren in Singapur, wo er sich zur medizinischen Behandlung aufhielt. Zu seiner Beerdigung erschien auch der gleichaltrige Kenneth Kaunda, der als Präsident des Nachbarlandes Sambia 1964-91 Mugabes Guerilleros Zuflucht gewährt und den Kampf gegen das weiße Rassistenregime unterstützt hatte.




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24.12.2018



Nachruf auf einen adligen Rebell: Prinz Talal



Wenn aus der Sippe der über 5.000 saudi-arabischen Prinzen mal wieder einer die Hufe an die Decke knallt, ist das in der Regel keine Meldung wert. Doch der dieser Tage verstorbene Prinz Talal bin Abdulaziz war eine Ausnahmeerscheinung, galt er doch als ewiger Rebell und „Roter Prinz“ in der feudalistischen Saudi-Sippe.
Er war ein Sohn des Staatsgründers Abdul Aziz Ibn Saud I. (König 1932-53), galt aber nie als Anwärter auf die Thronfolge, im Gegensatz zu vielen seiner Brüder – u.a. weil seine Mutter eine Armenierin war und ein Flüchtlingskind aus dem Osmanischen Reich. Sie fand Aufnahme bei einem arabischen Stamm und kam so dann zum späteren König.
Prinz Talal lehnte die fundamentalistisch-konservative Monarchie ab, galt als Freund des arabischen Nationalismus mit einer sozialistischen Note und sympathisierte mit dem Ägypten Gamal Abd el Nassers. Für Saudi-Arabien schlug er eine konstitutionelle Monarchie vor.
Nachdem er 1962 in Beirut seine Ideen einer breiteren Öffentlichkeit präsentierte, wurde ihm prompt der saudische Paß entzogen.
Er ging ins ägyptische Exil und gründete mit ähnlich fortschrittlichen Familienmitgliedern den „Bund der Freien Prinzen“, die sich nicht nur zufällig so benannten wie Nassers „Bund Freier Offiziere“, der 1952 gegen die ägyptische Monarchie geputscht hatte und 1969 unter Ghaddafi in Libyen die Monarchie stürzen sollte.
Nach den Anschlägen auf das World-Trade-Center am 9. September 2011 kritisierte er stark die Verwicklung saudi-arabischer Staatsbürger in die Anschläge und wandte sich gegen die reaktionäre Verquickung von religiöser und weltlicher Macht im Königreich.
Prinz Talal bin Abdulaziz Al Saud, der auch zu dem im Herbst 2018 vom Regime ermordeten Journalisten Kashoggi Verbindungen pflegte, galt als ewiger „Rebell“ und „Entfant terrible“ in der Herrscherfamilie. Er starb, wie manche behaupten, auch an den Folgen eines Hungerstreikes, in den er nach der Verhaftung einiger seiner Söhne getreten war, im Alter von 77 Jahren.


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14.12.2017



Nachruf auf einen „Russenknecht“: Mihai I.

Er war der letzte und der vor-vorletzte Monarch Rumäniens. In der deutschen Sprache auch als Michael I. bekannt, wurde er 1927 als Fünfjähriger auf den Thron in Bukarest gesetzt, sein Onkel und ein Regentschaftsrat führten die Regierungsgeschäfte, da sein Vater Carol II., der eigentliche Thronfolger, von der Thronfolge wegen seines Lebenswandels ausgeschlossen wurden war.
1930 kam Carol wieder aus dem Pariser Exil zurück und übernahm die Macht. Nachdem die Wahlen 1937 einen Rechtsruck brachten, übernahm Carol II. selbst die Macht und errichtete eine „Königsdiktatur“, um der Machtübernahme durch die faschistische „Eiserne Garde“ zuvorzukommen. Rumänische Gebietsverluste bereiteten den Weg des Faschisten General Ion Antonescu an die Regierung, der sich als Staatsführer ausrufen ließ (1940-44), Carol II. absetzte und den jungen Mihai I. abermals zum König machte und das Land an der Seite Hitlers in den Krieg steuerte.
Falls Antonescu dachte, den jungen, unerfahrenen Monarchen besser steuern zu können, wurde er bald eines besseren belehrt. Als sich das Glück der Achsenmächte wendete und die Sowjetunion die rumänischen Grenzen bedrohte, konspirierte Mihai mit den politischen Parteien Rumäniens (auch mit den Kommunisten) und ließ General Antonescu durch seine Palastwache verhaften.
Dennoch wurde Rumänien sowjetisch besetzt, da Moskau einen Separatfrieden mit Bukarest ablehnte. Seine Rolle beim Machtwechsel rechnete ihm die Sowjetunion hoch an, verlieh ihm einen hohen Orden und beschenkte ihn reichlich, doch 1947 mußte er dann doch ins Exil, da er einer vollständigen kommunistischen Machtübernahme letztlich im Wege stand.
Mihai ging ins Schweizer Exil, wo er unter anderem als Geflügelzüchter und Testpilot arbeitete. Nach der Wende 1989/90 versuchte er mehrfach, ins Land einzureisen, wurde aber vom neuen Machthaber Ion Iliescu, einem gewendeten Kommunisten, dabei gestoppt. Der spätere rechtskonservative Staatschef Traian Basescu bezeichnete den König sogar als „Russenknecht“.
Politisch spielte Mihai nach 1990 keine Rolle mehr. Die Schlagzeilen über ihn drehten sich hautsächlich um die Rückgabe verstaatlichten Besitzes der Königsfamilie. Als er nun im Dezember starb, waren nicht nur die Ex-Präsidenten Iliescu und Basescu voll des Lobes für den einst Geschmähten, auch der komplette europäische Hochadel reiste zur Beerdigung des 96-jährigen an.



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5.12.2017



Nachruf auf einen Schlangentänzer: Ali Abdullah Saleh

Der 1942 geborene Politiker konnte nur wenige Jahre zur Schule gehen, herrschte aber am längsten in der Geschichte des unabhängigen Jemen: insgesamt 34 Jahre! Frühezeitig strebte Saleh eine Militärkarriere an und wird Oberbefehlshaber der Armee in der Nordrepublik des damals geteilten Jemen. 1978 wurde er zum Staatspräsidenten des Nordjemen gewählt.
Er galt als gewiefter Machtpolitiker, dessen politische Kehrtwendungen berühmt-berüchtigt waren und die darauf beruhten, den einen gegen den anderen auszuspielen oder aber manchmal auch einen politischen Ausgleich zu suchen.
Nach innen hin betrieb Saleh einen Ausbau des Kapitalismus, in der Außenpolitik vertrat er einen antiimperialistischen Kurs und hielt noch 1990 im Irak-Krieg zu Saddam Hussein, wofür der Jemen mit Sanktionen des Westens bezahlen mußte.
Saleh setzte sich sehr für die Wiedervereinigung zwischen Nord- und dem sozialistischen Südjemen ein, seine Bemühungen hatten 1990 Erfolg. Saleh wurde Präsident des wiedervereinigten Jemen, der sozialistische Parteichef Südjemens, Ali Salim al-Baid, wurde sein Vizepräsident.
Gegen die politische und wirtschaftliche Dominanz des Nordens regte sich bald Widerstand im Süden und es kam zum Bruch in der Regierung. Der Süden rief erneut seine Unabhängigkeit aus unter Führung von al-Baid, doch Salehs Truppen gelang es, in einem zweimonatigen Feldzug das Land zurückzuerobern.
Seinen Politikstil beschrieb Saleh einmal als „Tanz auf den Köpfen von Schlangen“ – so muß man sich eine Politik in etwa auch vorstellen, die versucht, allen möglichen Clans und bewaffneten Kräften gerecht zu werden.
Nach dem 11. September 2001 stellte sich Saleh an die Seite der USA im „Anti-Terror-Kampf“, der letztendlich eine Farce war, da er den Terror eher anheizte und die Ausbreitung Al-Qaidas im Jemen nicht verhindern konnte.
Während seiner Amtszeit mußte sich Saleh, dessen Schlagfertigkeit und Wortwitz übrigens berühmt waren, mit zahlreichen Scharmützeln und kleineren Rebellionen auseinandersetzen.
Ein Dauerärgernis war der Stamm der Huthis, der die nördlichste Provinz beherrschte und der der zaiditischen Glaubensrichtung (einer Untergruppe der Schiiten) anhing. Insgesamt sechs Kriege führte Saleh gegen die Huthis. Der frühere Parlamentsabgeordnete und Führer der Huthis, Sayyed Hussain Badreddin al-Houthi wurde von Salehs Militär gefangengenommen und in einer Höhle hingerichtet. Sein jüngerer Bruder Sayyed Abdel Malik al-Huthi übernahm die Führung der Bewegung, die sich heute Ansarullah nennt.
Doch Saleh wäre nicht Saleh gewesen, wenn er nicht auch mit den verhaßten Huthis paktiert hätte. Der Auslöser war der „Arabische Frühling“ 2011, der auch den Jemen nicht verschonte.
Doch anders als viele arabische Herrscher, die 2011 abtreten mußten oder ermordet wurden, schaffte es Saleh, sich bis 2012 im Sattel zu halten, handelte für sich und seine Familie Amnestie aus, blieb Parteichef seines arabisch-nationalistischen Allgemeinen Volkskongresses (GPC) und überlebte ein Raketenattentat auf seinen Palast mit schweren Verbrennungen.

Salehs Vizepräsident Abed Rabbo Mansur Hadi, der nicht zum Saleh-Clan gehörte, wurde als Kompromißkandidat für zwei Jahre zum Übergangspräsidenten gewählt. Hadi entwickelte sich schnell zum Statthalter Saudi-Arabiens, denn er verfügte nicht über das politische Geschick Salehs, der die Interessen des dominanten Nachbarn verstand im Zaum zu halten oder auszubalancieren. Eine von Saudi-Arabien inspirierte Verwaltungsreform Hadis, die nicht nur das zentrale Herrschaftsgebiet der Huthis benachteiligt hätte, sondern auch ein Rückfall in den Feudalismus gewesen wäre, trieb Saleh, der um die wenigen Errungenschaften der Republik aus den 60iger und 70iger Jahren fürchtete, in ein Bündnis mit den Huthis, welche wiederum 2011 zu jenen „Revolutionären“ gehörten, die ihn sein Amt gekostet hatten.

Große Teile der jemenitischen Armee waren Saleh immer noch loyal. Gemeinsam mit den Huthis vertrieben sie die letzten Reste der Hadi-Administration aus der Hauptstadt und aus ihrem Rückzugsort Aden. Hadi mußte nach Saudi-Arabien ins Exil fliehen.

Die westlichen Massenmedien bezeichnen die Huthis gern als „pro-iranisch“, weil sie auch Schiiten sind. Doch es existieren eigentlich keine engen Verbindungen zwischen Iran und „Ansarullah“ wie man es zwischen Teheran und der libanesischen Hisbollah kennt. Saudi-Arabien, daß mit dem Iran um den Status als Regionalmacht Nummer Eins konkurriert, fürchtet die Huthis als „trojanisches Pferd“ der Iraner dennoch und bekämpft sie daher.

Die Huthis sind fromme Muslime, aber keine Islamisten. Sie wollten u.a. mit Sozialmaßnahmen die Unterschiede zwischen arm und reich verringern, die US-Truppen aus dem Land werfen und den islamischen Fundamentalismus in Form von Al-Qaida bekämpfen. Die USA verließen fluchtartig ihren Stützpunkt, von dem aus sie zahlreiche Drohnenmorde im Jemen gegen Zivilisten und vermeintliche „Terroristen“ durchgeführt hatten, als die Huthis kamen und ihn übernahmen. Die Huthis finanzierten seit einigen Jahren verschiedene Initiativen, um die Qualität der Gesundheitsversorgung, der Schulen und der Infrastruktur in den von ihnen kontrollierten Regionen zu verbessern und gingen auch gegen die Beschneidung der Frauen vor. Dafür erhielten sie sehr viel Zuspruch aus breiten Teilen der Bevölkerung.

Der Jemen war nun in mehrere Teile zerbrochen. Im Nordjemen dominierte eine „patriotische Zweckallianz“ aus Huthis und Saleh-Anhängern, einige Teile des Landes wurden von Hadis Marionettenregierung gehalten, die Wüsten kontrollierte Al-Qaida und im Südjemen erhob der Hirak, eine Separatistenbewegung, welche den Landessüden wieder abspalten will, ihr freches Haupt.

Seit 2015 bombardierte eine von Saudi-Arabien geführte Allianz reaktionärer Diktaturen (VAE, Sudan, Ägypten, USA, etc.) die von den Huthis und Saleh kontrollierten Gebiete, um eine Rückkehr des unpopulären Hadi zu erzwingen. Der Jemen litt auch unter den verantwortungslosen Wirtschaftssanktionen, die das Saudi-Bündnis mittels Seeblockade durchsetzte. Zehntausend Jemeniten starben bei den Kämpfen, das Gesundheitssystem brach zusammen, Hunger und Epidemien brachen aus. Die Huthi-Saleh-Allianz hielt den saudischen Bomben stand, Hadis Truppe aus Söldnern und Clanmilizen war unfähig, das Land zurückzuerobern.
Die Fronten bewegten sich nicht.
Saleh wurde klar, daß der Jemen nur noch weiter verlieren konnte. In einem Anflug von staatspolitischer Weisheit bereitete er einen seiner berühmten Frontwechsel vor. Er setzte seine Truppen in Bewegung, um Schlüsselstellungen der Huthis in der Hauptstadt Sanaa zu übernehmen und verkündete in einem ihm loyalen TV-Sender, er sei bereit, „ein neues Kapitel“ im Verhältnis zu Saudi-Arabien aufzuschlagen. Doch er hatte nicht mit der Verbissenheit der Huthis gerechnet, für die es in einem Jemen von Riads Gnaden keinen Platz gibt. Sechs Tage dauerten die Kämpfe zwischen den einstigen Verbündeten, bei denen die Huthis die Oberhand gewannen.
Saleh verschanzte sich mit 1.000 Elitesoldaten seiner Republikanischen Garde im Präsidentenpalast, den die Huthis unter schweres Feuer nahmen, um den „Verräter“ Saleh dingfest zu machen oder auszulöschen.
Obwohl Saudi-Arabien Luftangriffe zur Unterstützung seines neuen alten Verbündeten Saleh flog, eroberten die Huthis den Palast und sprengten ihn in die Luft. Saleh versuchte mit einer Wagenkolonne aus der Stadt zu fliehen, geriet aber in ein Feuergefecht und wurde mit einem Kopfschuß getötet. Der „Schlangentänzer von Sanaa“ hatte seine Kräfte über- oder die der Huthis unterschätzt.

Sein Tod macht die Lage im Jemen komplizierter. Sein Sohn Ahmed Ali Saleh, ein hoher Offizier, rief aus dem Exil zum Widerstand gegen die Huthis auf und will nicht eher ruhen „bis der letzte Huthi aus dem Jemen vertrieben“ wurde. Und auch Hadis „Militär-Haufen“ setzen sich in Bewegung und bereiten eine angebliche „Rückeroberung“ der Hauptstadt vor.




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7.3.2017



Nachruf auf einen Demokraten: René Preval

Er war einer der wenigen Präsidenten Haitis, die man als demokratisch bezeichnen konnte. Und er konnte mit zwei Superlativen aufwarten. Er war der einzige Staatschef des Landes, der seine Amtszeiten verfassungsgemäß beendete hat ohne vorher gestürzt, ermordet oder abberufen zu werden. Und er hielt sich von allen gewählten Präsidenten am längsten im Amt – insgesamt 10 Jahre.
Seine Familie geriet während der blutigen und korrupten Diktatur des Duvalier-Clans 1957-86 in Opposition zum Regime und ging ins Ausland. In Belgien studierte Preval Agrarwissenschaften, zog später nach New York um und kehrte 1982 als Geschäftsmann nach Haiti zurück, wo er ins Möbelgeschäft einstieg und Kontakt zur Opposition um den charismatischen linken Armenpriester und Befreiungstheologen Jean-Bertrand Aristide aufnahm. Als Aristide mit seiner „Lavalas“-Bewegung (übersetzt in etwa: „Die Lawine“) 1991 die ersten demokratischen Wahlen gewann, war Preval an seiner Seite und wurde Ministerpräsident. Die Massen jubeln! Die Freude währte nur kurz: nach wenigen Monaten wird Aristide vom Militär gestürzt, doch die internationale Gemeinschaft erzwingt 1993 seine Wiedereinsetzung. Nach Aristides Amtszeit 1996 trat die Preval für die neugegründete Partei Organisation des kämpfenden Volkes (OPL) an und wurde zum Staatschef gewählt. In seiner Amtszeit bis 2001 ließ er u.a. Straßen und Schulen bauen und stellte die diplomatischen Beziehungen zu Kuba wieder her.
Bei der nächsten Wahl übernahm Aristide, die noch immer dominierende politische Figur des kleinen Karibikstaates, der sich mit Preval überworfen hatte, erneut das Amt des Staatschefs, wurde aber auf Betreiben Frankreichs und der USA 2004 abermals gestürzt, da die Westmächte einen derart linken Herrscher nicht akzeptieren wollten. Die Folge waren Bürgerkrieg, ein jahrelanges Chaos und eine Reihe sich abwechselnder Übergangspräsidenten, die das Land wieder näher an die USA führten. 2006 wurde der einst viel kritisierte Preval, dessen erste Amtszeit den Haitianern im Vergleich zur Gegenwart wie eine goldene Ära vorkam, erneut ins Amt gewählt. Preval hatte inzwischen die Mitte-Links-Partei
Lespwa („Hoffnung“) gegründet. Seine zweite Amtszeit wurde überschattet von einem schweren Erdbeben mit 220.000 Toten.
Da er zur nächsten Wahl nicht mehr antreten durfte, unterstützte Preval die Kandidatur seines Schwiegersohnes Jude Celestin und hatte zu diesem Zweck abermals eine neue Partei namens
Inité („Einheit“) gegründet. Die Wahlen waren ganz offensichtlich manipuliert und die USA setzten mittels massiver Einmischung in den Wahlkampf und in die Stimmenauszählung ihren Kandidaten Michel Martelly als Präsidenten durch.
René Preval blieb bis zum Schluß politisch aktiv. Er starb am 3. März 2017 im Alter von 74 Jahren an einem Herzinfarkt.


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19.1.2017



Nachruf auf einen umstrittenen Demokraten: Mario Soares

Der frühere Premierminister und Präsident Portugals war ein Figur des politischen Übergangs zwischen der ausklingenden Diktatur in Portugal, dem linken Aufbruch 1974 („Nelkenrevolution“) und der Integration Portugals in den westlich-liberalen Machtblock.
Soares wurde 1924 geboren und schloß sich im Alter von 18 Jahren bereits der Kommunistischen Partei Portugals (PCP) an. Nachdem die Repressalien gegen die Kommunisten stärker wurden, klinkte er sich aus und wandte sich der eher sozialdemokratischen Comissão Democrática Eleitoral (CDE) zu, für die er 1965 als Abgeordneter kandidierte, doch wurde er drei Jahre später auf die damals noch portugiesische Insel Sao Tomé verbannt. Als der seit 1932 herrschende Diktator Antonio de Oliveira Salazar 1968 sein Amt aus gesundheitlichen Gründen an seinen treuen Unterstützer Professor Marcelo Caetano abegeben mußte, hoffte man auf eine gewisse Liberalisierung des Regimes. Doch Caetanos „Reformen“ war nur oberflächlich und schnell bekam er das Image eines „Salazars, der lächelt“. Immerhin, Soares durfte nach Paris ausreisen, während die portugiesischen Kolonialkriege mit unverminderter Härte weitergingen.
In dieser Zeit soll Soares auch Gespräche mit Vertretern der Diktatur geführt haben, um sich selbst als Partner für das zunehmend wackelnde Regime interessant zu machen.
Bei den Wahlen 1969 spaltete Soares die Opposition, indem er gegen die von der KP beeinflusste CDE die Comissão Eleitoral de Unidade Democrática (CEUD) gründete, die Altrepublikaner, enttäuschte Anhänger der Dikatur und Monarchisten versammelte.
Doch die CEUD schnitt noch schlechter als die CDE ab und 1973 gründete Soares unter massiver „Unterstützung“ der deutschen SPD in Bad Münstereifel die Sozialistische Partei (PS), deren Generalsekretär er bis 1986 wurde.
Nach dem Putsch fortschrittlicher Militärs („Nelkenrevolution“) wurde Soares zunächst Außenminister unter dem pragmatisch orientierten Staatschef Antonio dos Santos Ramalhos Eanes, später 1976-78 und 1983-85 fungierte als Premierminister. Für die Bürgerlichen ist er der Vater der portugiesischen Demokratie, der das Land in die EU führte und „Reformen“ im Sinne des Internationalen Währungsfonds (IWF) durchführte, für die Linken ist er ein Totengräber der Nelkenrevolution, der die radikale Linke kaltstellte.
Von 1986-96 fungierte der dennoch von der Mehrheit der Portugiesen geachtete Soares als Staatspräsident, ab 1998 war er als Vorsitzender der Strukturkommission im Europarat tätig und arbeitet auch für die UNO.
Ab 1999 war er zudem auch Abgeordneter des Europaparlaments, doch sowohl mit seiner Kandidatur für den Parlamentsvorsitz, als auch 2006 mit seiner erneuten Bewerbung für das Amt des portugiesischen Staatschefs scheiterte er.
Auf seine alten Tage wurde er zum Anhänger und Unterstützer des demokratisch-sozialistischen Präsidenten Hugo Chavez in Venezuela und forderte eine „Neugründung der Sozialdemokratie“ in Europa, nachdem ihm die Anbiederung der europäischen Sozialdemokraten an die politische Mitte doch zu weit ging.
Mario Soares, der seit Weihnachten 2016 in tiefem Koma gelegen hatte, starb Anfang Januar im Alter von 92 Jahren.



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11.12.2016



Nachruf auf einen Revolutionär: Fidel Castro

Viel ist über den Tod des kubanischen Revolutionsführers geschrieben worden, deswegen wollen wir uns hier kurz fassen. 1926 geboren als Sohn einen reichen Plantagenbesitzers, studierte Castro in seiner Jugend Jura und setze sich frühzeitig für die Armen und Unterdrückten ein. So stachelte er die Landarbeiter auf der väterlichen Plantage zur Rebellion auf und leistete als Student Widerstand gegen den korrupten, von den USA installierten Diktator Fulgencio Batista. Nach der Verschärfung von dessen Regime wählte Castro den militärischen Widerstand und überfiel mit ein paar Dutzend Kämpfern die Moncada-Kaserne, doch der Angriff scheiterte und Fidel, sein Bruder Raul und weitere Revoluzzers wanderten ins Gefängnis, aus dem sie nach einigen Jahren nur durch internationalen Druck freikamen.
Sofort plante Castro seine nächsten Aktionen – die militärische Befreiung der Insel von der Sierra Maestra aus gelang und die Revolutionäre – mit einem argentinischen Arzt namens Ernesto „Che“ Guevara an der Seite – zogen 1959 siegreich in Havanna ein.
Das Revolutionsregime, welches Castro installierte erfreut sich – trotz planwirtschaftlicher Mangelwirtschaft – großer Beliebtheit, denn es sorgte nicht nur für kostenfrei Bildung für alle, sondern auch für ein hochwertiges, kostenloses Gesundheitssystem. Auf psychologischer Ebene war wohl auch wichtig, daß Castro den Kubanern die Würde und nationale Freiheit wiedergab, denn vorher war das Land nur ein Bordell und Casino für reiche US-Amerikaner gewesen. US-Unternehmen wurden verstaatlicht, eine äußerst erfolgreiche Alphabetisierungskampagne eingeleitet.
Kritiker werfen Castro vor, daß er mit dem Einparteienstaat unter Führung der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) selbst eine Diktatur errichtete hatte, vergessen aber, daß Castro, der zunächst auf eine unabhängigen politischen Kurs bedacht war, durch die Umsturzversuche (1961 CIA-Invasion in der Schweinebucht) und zahlreichen Attentate aus den USA auf der Suche nach Schutz der Sowjetunion geradezu in die Arme getrieben wurde.
Castro selbst ließ bei verschiedenen Gelegenheiten durchblicken, daß er die Repressalien bedauerte, die in Kuba notwendig seien, um die Errungenschaften der Revolution zu verteidigen, denn die USA lassen bis heute nichts unversucht, um das quasi-koloniale Verhältnis zu Kuba wieder herzustellen und um wieder in Besitz zu nehmen, was ihnen nicht gehört.
Während des Kalten Krieges versuchte Kuba seine Revolution nach Lateinamerika und Afrika zu exportieren. Alphabetisierungskampagnen in Nicaragua, wirtschaftliche Hilfe für Grenada, militärischer Beistand für antikoloniale Befreiungsbewegungen in Algerien, Angola, Namibia, Mocambique und Äthiopien prägten die erfolgreiche Außenpolitik.
Der charismatische Revolutionär Fidel Castro war unter den Blockfreien Staaten ein geachteter Führer der Dritten Welt.
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem Wegfall der wichtigsten Handelspartner DDR und Sowjetunion stürzte Kuba in eine ökonomische Krise und in die Isolation. Die bolivarische Revolution in Venezuela verschaffte Kuba eine Atempause und mit dem venezuelanischen Präsidenten Hugo Chavez erwuchs ihm ein politischer Ziehsohn. Gemeinsam gründeten Kuba und Venezuela den linken Staatenbund ALBA, dem im Laufe der Jahre noch gut ein knappes Dutzend progressiv reagierter lateinamerikanischer Länder beitrat.
Nach 47 Jahren an der Spitze Kubas übergab Castro aus gesundheitlichen Gründen 2006 die Macht an seinen fünf Jahre jüngeren Bruder Raul, den langjährigen Verteidigungsminister.
Doch bis zum Schluß meldete sich Castro mit seinen Denkschriften in der Öffentlichkeit zu Wort.
Über eine Million Kubaner nahmen an der Trauerfeier für den verstorbenen Revolutionsführer teil und zahlreiche Präsidenten und Ex-Staatschefs, vor allem aus Lateinamerika und Afrika, wo Castro besonders verehrt wird, rückten an.
Selbst jene, die nicht teilnehmen konnten, da sie in Kämpfe verwickelt oder verfolgt werden, wie die anti-imperialistische Libysche Nationale Volksbewegung (LNPM), in welcher sich die Anhänger der gestürzten Ghaddafi-Regierung sammeln, schickten eine Delegation in die kubanische Botschaft nach Kairo, um Castro die letzte Ehre zu erweisen.



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21.3.2016



Nachruf auf einen Sozialdemokraten: Anker Jörgensen

Er war ein Sozialdemokrat, der noch von der Pike auf gedient hatte. Als Sohn eines Kutschers und einer Putzfrau wurde er früh Waise, erwarb nach einer Schlosserlehre den Schulabschluß Mittlerer Reife und schlug sich später als Lager- und Speicherarbeiter auf den dänischen Schiffswerften durch. Jörgensen war Mitglied einer der größten dänischen Gewerkschaften, des „Verbandes der Arbeiter und Facharbeiter“ und gehörte zum linken Flügel der Sozialdemokratischen Partei (SD), wo er als Bindeglied zur Gewerkschaftsbewegung fungierte. Nach dem Rücktritt von Premierminister Jens Otto Krag übernahm Jörgensen 1972 das Amt des Regierungschefs, welches er aber schon 1973 wieder an den Bürgerlichen Poul Hartling abgab. Doch schon 1975 war Jörgensen wieder da und führte bis 1982 eine sozialdemokratische Regierung. Er war ein Befürworter des dänischen EU-Beitritts, der aber von seiner Gewerkschaft nicht unterstützt wurde und scheute sich nicht, sich mit den mächtigen NATO-Vertretern anzulegen, als er beispielsweise eine Fortführung der Entspannungspolitik trotz der Ausrufung des Kriegsrechtes in Polen und eine kernwaffenfreie Zone in Nordeuropa forderte oder sich vom NATO-Doppelbeschluß distanzierte. Jörgensen legte u.a. ein Beschäftigungsprogramm zur Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit auf, doch da Dänemark immer mehr in eine Wirtschaftskrise geriet, war auch Jörgensen zu Sparmaßnahmen gezwungen, welche die Popularität der Sozialdemokraten beschädigten und 1982 die Konservativen an die Macht brachten. Bis 1987 agierte er noch als Parteivorsitzender und Oppositionsführer, verweigerte sich erfolgreich der Teilnahme an einer bürgerlichen Regierung, trat aber nach dem zweitschlechtesten Wahlergebnis der dänischen Sozialdemokratie zurück.
Jörgensen war einer der letzten „echten“ Sozialdemokraten, wie sie mit Willy Brandt (BRD), Olof Palme (Schweden) und Bruno Kreisky (Österreich) heute in Europa weitgehend ausgestorben sind. Er starb im Alter von 93 Jahren im März 2016.




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9.11.2015



Nachruf auf ein politisches Chamäleon: Mathieu Kérékou


Im Jahr 1972 übernahm der Generalstabschef des kleinen westafrikanischen Landes Dahomey in einem Militärputsch die Macht. Damit setzte er einer Reihe von Putschen und instabilen Regierungen ein Ende, die das Land seit der Unabhängigkeit 1960 geprägt hatten, denn für die nächsten 19 Jahre sollte Mathieu Kérékou der unumstrittene Führer der ehemaligen französischen Kolonie bleiben. Er leitete eine sozialistische Entwicklung ein, bekannte sich zum Marxismus-Leninismus (inklusive Einführung einer Einheitspartei) und benannte das Land in Benin um. Die Durchsetzung marxistisch-leninistischer Politik hielt sich aber in Grenzen, weshalb man u.a. in der DDR vom „Laxismus-Beninismus“ sprach. Als im Zuge des Untergangs des Ostblocks auch die Völker Afrikas nach mehr Demokratie riefen, wandelte sich Kérékou zum Demokraten, berief eine Nationalkonferenz ein, an der die Opposition und die Zivilgesellschaft beteiligt wurden und leitete freie Wahlen ein. Das Volk von Benin erwies sich aber als „undankbar“, denn es wählte nicht Kérékou zum Präsidenten, sondern Nicéphore Soglo, weshalb der alte Militär sich zunächst aus der Politik zurückzog.
1996 tauchte er aber mit einer neuen Partei und gewandelt zum Marktwirtschaftler und liberalen Demokraten wieder auf und wurde diesmal auf demokratische Weise mittels Wahlurne zum Staatspräsidenten. Eine allmählich aufkeimende Politikverdrossenheit der Bevölkerung ließ er durch eine neue, nie dagewesene Pressefreiheit schwinden.
Nach zwei fünfjährigen Amtsperioden zog sich Kérékou, der wegen seiner politischen und religiösen Wandlungsfähigkeit im Lande unter dem Spitznamen „Chamäleon“ bekannt ist (welches 1996 in einem Anflug von Selbstironie das Logo seiner Wahlkampagne war) aus der Politik zurück – ein Beispiel dem nicht viele afrikanische „Big Men“ folgten. Seine letzten Jahre war er als evangelischer Pastor tätig. Sein Verdienst ist es, das Land 1972 stabilisiert zu haben, 1991 einen friedlichen Übergang zur Demokratie eingeleitet zu haben und es ermöglicht zu haben, daß Benin auch heute noch zu den demokratischsten Staaten in Afrika gehört. Mathieu Kérékou, der knapp 29 Jahre den kleinen westafrikanischen Staat regiert hatte, starb Mitte Oktober im Alter von 82 Jahren – ein Ereignis, daß die Medien offensichtlich nicht für erwähnenswert hielten.




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31.10.2014





Nachruf auf einen Patrioten: Michael Sata

Viermal nahm der frühere Polizist, Eisenbahner und Gewerkschafter Michael Sata mit seiner 2001 gegründeten Partei Patriotische Front (PF) Anlauf auf das sambische Präsidentenamt, doch erst als er schon gesundheitlich angeschlagen war, gelang es ihm 2011, sich seinen Lebenstraum zu erfüllen. Sata, der als Oppositionsführer im kupferreichen Norden des Landes die Minenarbeiter gegen ihre chinesischen Dienstherren aufstachelte und wegen seiner scharfen Reden „King Cobra“ genannt wurde, verfolgte einen linksnationalen Kurs. Er stellte sich oft schützend vor den vom Westen kritisierten antiimperialistischen Präsidenten Robert Mugabe aus dem Nachbarland Simbabwe und rehabilitierte den sambischen Staatsgründer und Ex-Präsidenten Dr. Kenneth Kaunda, der diesen April 90 Jahre alt wurde. Im Infrastrukturbereich hat Präsident Sata einiges bewirkt, doch seine Versuche, den ausländischen Minenkonzernen höhere Steuern und Löhne abzutrotzen, blieben in den Anfängen stecken – schon damals ließ der Elan in Folge der Erkrankung Satas nach. Zum Schluß saß er vor ein paar Wochen in der UNO und hörte sich die Redebeiträge an – seinen eigenen hatte er aber aus gesundheitlichen Gründen abgesagt.
Michael Sata starb am 29.10.2014 in einem Londoner Krankenhaus in Herzversagen. Für drei Monate wird jetzt der Vizepräsident Guy Scott – ein Weißer (!) – die Amtsgeschäfte führen und Neuwahlen einleiten.




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23.10.2014





Nachrufen auf einen Marionetten-Diktator: Jean-Claude Duvalier

Er war eine groteske Erscheinung. Ein übergewichtiger reicher, jungenhafter Playboy, der eine grausame Diktator nebst brutaler Geheimpolizei und Schlägermiliz (Touton Macoute, zu deutsch: „Onkel Menschenfresser“) von seinem Vater Francois Duvalier geerbt hatte. Letzterer wurde 1957 Präsident des bettelarmen Karibikstaates Haiti und errichtete eine der brutalsten Diktaturen der westlichen Welt, wobei er sich neben der Einschüchterung durch die Touton Macoutes auch des Voodoo-Kultes als Herrschaftsmittel bediente. In den Kellern seines Palastes ließ Francois Duvalier seine Gegner grausam foltern. Ursprünglich genoß er das Ansehen der einfachen Bevölkerung, da er sich als Arzt auch um die Unterprivilegierten gekümmert hatte und kam so zu seinem Spitznahmen „Papa Doc“. Als Duvalier 1971 starb vererbte er sein Regime seinem damals 20-jährigen Sohn Jean-Claude, der damit völlig überfordert war und von der Bevölkerung den Namen „Baby Doc“ verpaßt bekam. „Baby Doc“ bemühte sich zwar, etwas weniger repressiv zu herrschen als sein Vater, doch er ließ sich von seinen US-amerikanischen Gönnern noch leichter am Gängelband herumführen als sein Vater, was ihn in den Augen der Bevölkerung noch mehr diskreditierte. Auch wirtschaftlich ging es bergab und die versprochenen Investitionen aus den USA manifestierten sich u.a. darin, daß Haiti der weltgrößte Exporteur von Baseballs wurde. 1986 beendete das Militär die groteske Familiendiktatur der Duvaliers. Nach mehreren Versuchen aus dem Exil nach Haiti zurückzukehren, erlaubte es ihm der seit 2011 amtierende Präsident Michel Martelly schließlich, da Duvalier-freundliche Kreise seinen Wahlkampf gesponsert hatten. Allerdings mußte sich der zurückgekehrte „Baby Doc“ bis zu seinem Tode mit Gerichten herumärgern und ihm wurden Verbrechen gegen die Menschlichkeit, illegale Verhaftungen, Folter, politisch motivierte Morde und Korruption zur Last gelegt. Er starb mit 63 Jahren an einer Herzattacke.



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11.9.2014



Nachruf auf einen Globetrotter: Peter Scholl-Latour


Im Alter von 90 Jahren verstarb der deutsche Journalist und Globetrotter Peter Scholl-Latour.
Im Laufe seiner journalistischen „Karriere“, die ihn nach dem Zweiten Weltkrieg in „Konquistadoren-Stimmung“ an der Seite der französischen Kolonialmacht nach Indochina geführt hatte, entwickelte er sich zu einem führenden deutschen Experten für die Geschehnisse in aller Welt, besonders aber in Indochina und den islamischen Staaten. Sein Buch „Der Tod im Reisfeld“, in dem Scholl-Latour die drei Indochina-Kriege beschreibt, an denen er selbst teilgenommen hat – und zwar als selbstständig denkender und agierender Berichterstatter, nicht als beim Militär „eingebetteter“ Propaganda-Papagei, wie es heute üblich ist – wurde zum Millionen-Bestseller.
Obwohl er sich selbst immer als „proamerikanisch“ und als „konservativ“ bezeichnete, war er ein durchaus kritischer Beobachter der US-Politik. Besonders in den letzten Jahren nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 auf das World Trade Center verstärkte sich seine Skepsis.
Früher als andere hatte Scholl-Latour erkannt, daß der sogenannte „Krieg gegen den Terror“ der USA und ihrer Satellitenstaaten in eine Sackgasse führte und den Terror eher anheizte, als ihn wirksam bekämpfte. Allerdings ging er nie soweit, zu erklären, daß offensichtlich genau dies das Ziel der „Anti-Terroroperationen“ war, da die US-Wirtschaft in der Krise nur brummt, wenn das Regime einen Krieg führen kann.
Auch beim sogenannten „Arabischen Frühling“ war Scholl-Latour ein unvoreingenommener Beobachter, der zwar Sympathie für die jugendlichen Aufrührer hatte, aber erklärte, daß sie und ihre Facebook-Community niemals die wirklichen Akteure in diesem zynischen Spiel um die Macht in den islamischen Staaten sind, sondern nur Spielbälle.
Zeit seines Lebens fühlte sich „PSL“, so sein Spitzname wegen seiner Initialen, halb als Franzose, halb als Deutscher, da seine Eltern aus Elsass-Lothringen stammten und outete sich als Sympathisant des früheren französischen Staatschefs Charles de Gaulle, der für ein Europa der Vaterländer eintrat.

Seine zahlreichen „Extratouren“ waren nicht ungefährlich – doch aufgrund der Kenntnis der Landesverhältnisse und mit einer gehörigen Portion Glück konnte Scholl-Latour immer wieder unbeschadet nach Hause zurückkehren.
Einmal wurde er als Geisel vom Viet Kong verschleppt, aber anständig behandelt und bald wieder freigelassen.
Ein Foto, daß ihn mit dem iranischen „Revolutionsführer“ Ayatollah Chomeini zeigte, wurde für ihn zum „Beschützer“ und „Türoffner“ in schiitisch besiedelten Gebieten – so z.B. im Südlibanon bei der Hisbollah.

Scholl-Latour war auch ein Gegner der internationalen Kriegseinsätze Deutschlands. „Die Kampfkraft der Bundeswehr geht gegen Null!“ war einer der erschreckenden, doch durchaus realistischen Sätze, die er in einer Talkshow anbrachte und das „Engagement“ unseres Landes als das erklärte, was es war: politisch falsch, militärisch unnötig und unwirksam und letztlich nur dazu geeignet, dem US-Regime ein multilaterales Mäntelchen bei seinen Eroberungsfeldzügen umzuhängen.

Zwar galt Scholl-Latour als Fachmann für die Geschehnisse in der islamischen Welt und in Asien, doch seine Reportagen über Schwarzafrika oder die Ostblockstaaten zeugten eher von Unverständnis und innerlicher Ablehnung der örtlichen Gegebenheiten.

Scholl-Latours Schreibstil, die Dinge als subjektiver Beobachter, der dennoch eine gewisse Ausgewogenheit in seinen Reportagen an den Tag legt, zu beschreiben, wirkt oftmals ehrlicher und authentischer als die politisch-korrekte Phrasenraspelei seiner jüngeren Kollegen. Mit ihm verlor Deutschland einen großartigen Journalisten, der Millionen von Lesern in einer anschaulichen Sprache die komplexen internationalen Vorgänge, zuletzt besonders die geostrategischen Winkelzüge des US-Imperiums, darstellte und erklärte.



Kay Hanisch
September 2014










14.4.2014



Nachruf auf einen Oppositionellen: Kumba Yala

Fünfmal trat er insgesamt als Präsidentschaftskandidat in dem kleinen afrikanischen Land Guinea-Bissau (rund 1,6 Mio. Einwohner) an, doch nur einmal, im Jahre 2000, war ihm ein Wahlsieg vergönnt, wobei allerdings nach drei Jahren bereits vom Militär gestürzt wurde. Kumba Yala konnte in seiner kurzen Amtszeit zwar einige außenpolitische Erfolge vorweisen, doch innenpolitisch ging er weniger diplomatisch zu Werke und brachte mit seinem autoritären Führungsstil und seiner konfrontativen Krawall-Rhetorik das halbe Land und nahezu das gesamte Polit-Etablishment gegen sich auf.
Aufgrund der politischen Instabilität Guinea-Bissaus nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, häufigen Militärputschen und Attentaten wechselte das politische Personal in den letzten 20 Jahren sehr häufig. Doch eine verlässliche Konstante blieb: der Oppositionsführer war (abgesehen von seiner kurzen dreijährigen Präsidentschaft) mit Kumba Yala immer der gleiche.
Yala, der einst der früheren Einheitspartei PAIGC (Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und Cap Verde) angehörte, gründete 1992 die ebenfalls sozialistische Partei der Sozialen Erneuerung (PRS), für die er 1994, 1999, 2005, 2009 und 2012 als Präsidentschaftskandidat antrat und Ergebnisse zwischen 22% und 39% im ersten Wahlgang einfuhr. Yala war ein Angehöriger des Volkes der Balanta, der größten ethnischen Gruppe in Guinea-Bissau, deren Bevölkerungsanteil ca. 30% beträgt. Auf dieses Stammwählerpotential konnte Yala, der auch unter der afrikanischen Sonne mit einer knallroten Pudelmütze, dem Symbol der Balanta herumrannte, fast immer bauen.
Selbst bei seinen Reden vor der UN-Vollversammlung verzichtete er trotz Zweireiher nicht auf seine Kopfbedeckung und so kam es, daß er im Volksmund nur den Spitznamen „Rote Mütze“ trug.

Letzten Endes galt der 61-jährige Yala nach dem Tode von Libyens Muammar al-Ghaddafi als „Afrikas schrägster Populist“, der für seine kurzen, schwer verständlichen Gedichte und skurrilen Vorschläge bekannt war – so wollte er u.a. die Hauptstadt von Bissau in das Nest Buba verlegen lassen und aus ihm eine „Metropole wie New York“ machen. Dennoch war Kumba Yala, der vier Sprachen spricht, immerhin Professor der Philosophie und keine weltfremder „Buschmann“.

Sein plötzlicher Herztod – vier Tage vor der Präsidentschaftswahl – kommt für alle überraschend und wirft Fragen auf. Allerdings gibt es keine Hinweise auf Fremdverschulden. Yala hatte am Vorabend seines Todes zu seinem Hausarzt gesagt, daß er sich sehr unwohl fühle. Er sagte dem Arzt auch, daß – für den Fall seines Todes der Wahlkampf nicht gestoppt werden soll und er nach der Amtseinführung des neuen Präsidenten begraben werden möchte.
Am nächsten Morgen war er tot.

Die meisten Parteien und Kandidaten haben in getrennten Erklärungen bekannt gegeben, daß sie dennoch ihren Wahlkampf wegen „nationaler Trauer“ aussetzen.






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10.3.2013



Nachruf auf einen Helden: Hugo Chavez



„Heute ist kein Mensch gestorben, sondern eine Legende wurde geboren.“ So drückte es ein venezuelanischer TV-Moderator aus, als er von der traurigen Nachricht über den Tod von Hugo Chavez, dem geschätzten und beliebten Präsidenten Venezuelas sprach, der nicht nur sein Land, sondern auch ganz Lateinamerika zum Positiven verändert hat und sich anschickte, für Millionen von Menschen weltweit zum Hoffnungsträger zu werden.

1992 trat der Offizier Chavez erstmals politisch in Erscheinung, als er mit einem Putschversuch seines Fallschirmjägerbataillons scheiterte und zur Kapitulation gezwungen wurde. Er machte es zur Kapitulationsbedingung, daß er live im Fernsehen seine Motive für den Umsturzversuch darlegen konnte und so erfuhr die Mehrheit der Venezuelaner von ihm. Nicht nur die weitverbreitete Armut der Bevölkerung trotz des Ölreichtum des Landes, die Korruption des Regimes von abwechselnd regierenden Christ- und Sozialdemokraten, sondern auch der brutale Einsatz des Militärs durch den sozialdemokratischen Machthaber Carlos Andres Perez 1989 gegen friedliche Demonstranten waren einer der Gründe für den Putschversuch der progressiven Militärs um Chavez.

Nachdem Putschversuch verschwand Chavez im Gefängnis, doch stattdessen tauchten überall Graffitis auf, die seine Freilassung forderten und seine Popularität im Volk nahm stetig zu. Der ehemalige christdemokratische Präsident Rafael Caldera (1969-74), der sich vom korrupten Parteiensystem losgesagt hatte und im Alter von 77 Jahren 1993 als Unabhängiger – unterstützt von einem Bündnis linker Splittergruppen – noch einmal als Präsident bewarb, wußte das zu nutzen. Er gewann die Wahl u.a. wegen des Versprechens, die Putschisten zu amnestieren und in Freiheit zu entlassen, was er dann auch tat.

Chavez machte sich nun daran, seine Bewegung für die Fünfte Republik (MVR) aufzubauen, mit der er 1998 den Wahlsieg holte und Caldera im Amt ablöste. Seit 1998 gewann Hugo Chavez alle Wahlen und zahlreiche Referenden. Seine Regierung legte ein beachtliches revolutionäres Tempo vor.
Eine neue Verfassung mit direktdemokratischen Elementen, die eine Mitbestimmung des Volkes ermöglicht, wurde verabschiedet, die Erdölindustrie und andere Schlüsselindustrien verstaatlicht. Kostenlose Gesundheitsversorgung, die Bekämpfung der Armut und des Analphabetentums waren – teilweise dank kubanischer Hilfe – erfolgreich. Den USA trat Venezuela von nun an selbstbewußt gegenüber und kritisierte deren Politik in Lateinamerika.
Das US-Regime versuchte Chavez 2002 bei einem initiierten Putschversuch ermorden zu lassen und setzte den Chef des Unternehmerverbandes als „Übergangspräsidenten“ von Washingtons Gnaden ein. Chavez, von rechten Teilen des Militärs gefangen und entführt, war nur noch am Leben, weil er sich bisher geweigert hatte, eine Rücktrittserklärung zu unterschreiben. Doch plötzlich kamen die Armen von Hügeln der Hauptstadt Caracas und aus den Elendsvierteln auf die Straßen und vertrieben die Putschisten aus dem Präsidentenpalast Miraflores. Chavez kam frei, die US-freundlichen Putschisten gaben auf.

2004 und 2006 kamen mit dem Indio Evo Morales und dem linksnationalen Ökonom Rafael Correa in Bolivien bzw. in Ecuador zwei Staatschefs an die Macht, die ähnlich dachten wie Chavez und die – neben Kuba – fortan zu dessen treuesten Alliierten gehörten und ähnliche Projekte in ihren Ländern starteten. Ein linker, regionaler Machtblock war geboren wurden und widersetzte sich diverser Putschversuche, welche die USA zu inszenieren versuchten.

In ganz Lateinamerika kamen plötzlich mehr oder weniger linke Regierungen in Mode – ob nun eher gemäßigt wie in Brasilien, Chile, Uruguay, Guatemala, Paraguay, El Salvador oder populistisch wie in Argentinien und Panama. Nicaragua wählte wieder Daniel Ortega, den früheren sandinistischen Guerillaführer und Staatschef der 80iger Jahre zum neuen Präsidenten und selbst Manuel Zelaya, der Staatschef von Honduras, der als Mitglied der konservativen
Liberalen Partei (PLH) gewählt wurde, fabulierte nun von einem „sozialen oder sozialistischen Liberalismus“, den er einzuführen gedachte.
Der Einfluß der USA, die Lateinamerika seit Jahrzehnten als ihren Hinterhof betrachteten und mit Bürgerkrieg überzogen, verschwand zusehends.
Chavez war der Motor einer tieferen Kooperation und Integration der amerikanischen Staaten, welche sich nun in verschiedenen Bündnissen wie UNASUR oder ALBA organisierten.

Hugo Chavez hatte nicht nur sein Land, sondern auch einen ganzen Kontinent verändert.
Er versuchte ebenfalls die Zusammenarbeit mit Afrika auszubauen (sogenannte Süd-Süd-Kooperation), knüpfte enge Beziehungen zu Ghaddafis Libyen, zum Iran oder Weißrußland – Staaten, die im Westen wegen ihrer Aufmüpfigkeit gemieden und verunglimpft worden.

Gegen die Angriffskriege des NATO-Staaten bezog Chavez klar Stellung und versuchte diese mit Friedensinitiativen zu stoppen – wie z.B. beim NATO-Überfall auf Libyen, wo er selbst den ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter auf seiner Seite wußte.

Hugo Chavez hatte erst im Oktober 2012 mit Bravour eine weitere Wahl gewonnen, doch die neue Amtszeit konnte er nicht mehr antreten. Der Krebs, an dem er seit knapp zwei Jahren litt, hatte sich wieder stärker ausgebreitet – hinzu kam noch eine Erkrankung der Atemwege, die er sich bei einer OP zugezogen hatte. Am 5. März 2013 starb Hugo Chavez im Alter von nur 58 Jahren in der Hauptstadt Caracas.

Kurz vor seiner Operation hatte er seinen Vizepräsidenten und langjährigen Außenminister Nicolas Maduro zum Wunschnachfolger ausgerufen, falls er nicht mehr die Amtsgeschäfte übernehmen könne. Maduro, einst linker Gewerkschafter, gehörte seit dem mißglückten Putsch von 1992 zu den engsten Unterstützern des Präsidenten und gilt als ehrliche Haut, auch wenn er nicht über Chavez´ Charisma verfügt.

Bereits zwei Millionen Venezuelaner haben in den vergangenen Tagen von dem aufgebahrten Revolutionshelden Abschied genommen. Wie sehr Chavez auch international geschätzt wurde, zeigt die Tatsache, das mindestens 15 Länder eine mehrtägige Staatstrauer ausgerufen haben, darunter China, Iran, Nigeria, Weißrußland und zahlreiche Länder Lateinamerikas. Selbst die neutrale Schweiz, die mit der venezuelanischen Revolution wahrlich nicht viel am Hut hatte, ließ die Flaggen auf Halbmast herunter.

Hugo Chavez hat mit seinem politischen Wirken, seinem Kampf für soziale Gerechtigkeit, echte Demokratie, für Frieden, Unabhängigkeit und Menschenwürde nicht nur Lateinamerika verändert, sondern auch Millionen Menschen auf anderen Kontinenten inspiriert.
Die First Lady Nicaraguas, Rosario Murillo, brachte es bei einer Trauerfeier für den Gestorbenen auf den Punkt: „Wir alle sind Chavez!“



Kay Hanisch
10.3.2013




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29.10.2012


Nachruf auf einen Neutralisten: Norodom Sihanouk

Am 31. Oktober 2012 wäre der frühere kambodschanische König Norodom Sihanouk 90 Jahre alt geworden, doch er verstarb 15 Tage vor seinem Geburtstag.
1941 setzte die französische Kolonialmacht den 19-jährigen Sihanouk auf den Königsthron, weil sie glaubte, mit dem unerfahrenen Jüngling eine perfekte Marionette zu haben. Doch schnell entwickelte dieser ungeahnte politische Fähigkeiten, arrangierte sich mit den in Indochina siegreichen Japanern und nach dem Krieg wieder mit den Franzosen, denen er Schritt für Schritt die Unabhängigkeit seines Landes abtrotzte. Die endgültige Unabhängigkeit Kambodschas erreichte Sihanouk 1953, wobei er den Franzosen drohte, sich mit den Kommunisten zu verbünden, wenn Paris weiter an Kambodscha als Kolonie festhält.
Auf dem Höhepunkt seiner Popularität dankte Sihanouk 1955 als König ab, überließ seinem Vater den Thron und gründete die
Volkssozialistische Gemeinschaft (Sangkum), eine Partei, die einen „sozialistischen Buddhismus“ anstrebte – ähnlich wie Premierminister Nehru in Indien. Mit einem fulminanten Wahlsieg wurde die Sangkum im gleichen Jahr stärkste politische Kraft und Sihanouk der neue Premierminister. Damit hatte er viel größeren Gestaltungsspielraum als in der eher zeremoniellen Funktion des Königs.
Innen- wie außenpolitisch verfolgte Sihanouk einen Kurs der politischen Neutralität und nationalen Unabhängigkeit. Außenpolitisch äußerte sich dies z.B. in einer Schaukelpolitik zwischen Ostblock und Westmächten. Auch war Sihanouk neben Indonesiens Staatschef Sukarno, Ägyptens Nasser, Jugoslawiens Tito und Nehru aus Indien einer der führenden Köpfe bei der Gründung der weltweiten Bewegung der Blockfreien Staaten.
Innenpolitisch versuchte Sihanouk die Balance zwischen den politischen Extremen zu halten, in dem er sowohl linke als auch rechte Politiker auf der Liste der Sangkum kandidieren ließ und im Zweifelsfall den politischen Schiedsrichter spielte.
Wichtige Wirtschaftszweige ließ er verstaatlichen. 1960 starb Sihanouks Vater – offenbar auch an den Spätfolgen eines US-amerikanischen Bombenanschlages der eigentlich Sihanouk gegolten hatte – und diesem fiel wieder der Königsthron zu. Sihanouk wurde wieder Staatsoberhaupt, verzichtete aber auf den Königstitel.

Den USA mißfiel die unabhängige Außenpolitik Kambodschas und der US-Botschafter versuchte Sihanouk ziemlich plump – zuerst mit Geld, dann mit politischem Druck – in das US-Lager zu nötigen. Damit biß er aber auf Granit und führte eine Verschlechterung der kambodschanisch-amerikanischen Beziehungen herbei. Im Vietnam-Krieg bemühte sich Sihanouk ebenfalls um Neutralität, erlaubte aber dem Vietcong Schleichwege über kambodschanisches Territorium zu nutzen.
Die USA rächten sich mit einem grausamen Flächenbombardement des neutralen Landes, welches zehntausende zivile Opfer forderte. Die Gummibaum-Plantagen wurden mit Napalm niedergebrannt, tausende Tonnen Glasscherben wurden über den Reisfeldern abgeworfen, damit sich die barfüßigen Bauern und die Wasserbüffel ihre Füße zerschneiden und nicht auf den Feldern arbeiten können. Alles, nur um die kambodschanische Wirtschaft zu ruinieren und den Sturz Sihanouks zu befördern!
Als selbst diese Maßnahmen nichts brachten, inszenierte die CIA 1970 einen Putsch durch den rechten Premierminister General Lon Nol und den intriganten Prinzen Sirik Matak, der im Volk noch unbeliebter als Lon Nol war. Beide erklärten das Ende der Monarchie, riefen die „Khmer-Republik“ aus und ließen Sihanouk, der sich gerade auf einer Auslandsreise befand, zum Tode verurteilen.
Als sich die Parlamentsabgeordneten weigerten, den Putsch gutzuheißen, ließ Lon Nol Panzer vor dem Gebäude auffahren. Ergebnis: 83 von 86 Abgeordneten segneten plötzlich den Umsturz ab.

Die Volksrepublik China nahm Prinz Sihanouk und dessen Familie in Peking freundschaftlich auf und finanzierte ihm eine große Residenz. Offenbar angestachelt durch die chinesische Führung kündigte Sihanouk die Gründung einer Exilregierung des Widerstandes an. Die Chinesen stellten einen Kontakt zur kambodschanischen kommunistischen Volkspartei (Pracheachon) her. Ihre Kader hatten zu Beginn der 60iger Jahre Sihanouks Regierung verlassen und kämpften schon seit Jahren ohne großen Erfolg im Dschungel für einen kommunistischen Staat. Einer ihrer führenden Köpfe, Khieu Samphan, war unter Sihanouk kurzzeitig Minister gewesen. Sihanouks Anhänger vom „linken“ Sangkum-Flügel bildeten breites ein Bündnis mit den Kämpfern der Pracheachon, und den Organisationen von Intellektuellen, ethnischen Minderheiten, Bauern, Arbeitern, Mönchen etc.. Der militärische Arm dieses Bündnisses, die FAPLNK, in dem die Kommunisten den Ton angaben, bekam massiven Zulauf durch die zahlreichen Anhänger Sihanouks aus der Bauernschaft.

Das Lon-Nol-Regime erwies sich als unfähig und korrupt. Es erklärte seine Kriegsteilnahme in Vietnam auf Seiten der USA. In Kambodscha ließ es Monarchisten, Linke und Liberale gleichsam verfolgen und zeichnete sich für grausame Massaker an der vietnamesischen Minderheit verantwortlich. Den Partisanen der „königlich-kommunistischen“ Guerilla-Armee hatte das morsche Regime nichts entgegenzusetzen und kassierte eine Niederlage nach der anderen. Es dauerte nicht lange, da kontrollierten die USA und ihre Marionette Lon Nol trotz eines brutalen Bombenkrieges, für den sich der spätere „Friedensnobelpreisträger“ Henry Kissinger zu verantworten hat, nur noch die Hauptstadt Phnom Penh und ein paar große Überlandstraßen.

1975 war alles vorbei. Die USA flogen Lon Nol aus, in Laos und Vietnam siegten die Kommunisten und auch in Kambodscha marschierten die Widerstandskämpfer der Königlichen Regierung der Nationalen Einheit (FUNK) in die Hauptstadt ein. Es wird wohl nie ganz geklärt werden, was in dieser Zeit und den nachfolgenden Jahren passiert ist. Wie es eine zahlenmäßig kleine radikal-kommunistische Gruppe innerhalb der FUNK schaffen konnte, derartig die Macht an sich zu reißen und alle anderen auszubooten. Wie es überhaupt möglich war, daß diese kommunistische Gruppe von Kambodschanern (Sihanouk verwendete den Begriff „Rote Khmer“ für sie), die in den Jahren des Widerstandes 1970-75 selbst am Regierungsprogramm der FUNK mitgearbeitet hatten und sich durch vernünftige Ansichten auszeichnete – wie diese Gruppe plötzlich das ganze Land in einen revolutionären blutigen Amoklauf stürzte und eine der schlimmsten Diktaturen des 20. Jahrhunderts errichtete.

Formal diente Sihanouk diesem Regime, daß ihn quasi zur Geisel machte, im ersten Jahr noch als machtloses Staatsoberhaupt und diplomatisches Feigenblatt, bis er 1976 zurücktrat und mit seiner Frau im Königspalast unter Hausarrest gestellt wurde. Das Regime der Roten Khmer, dessen offizieller Führer Khieu Samphan, aber dessen wirklicher Herrscher im Hintergrund der geheimnisvolle Saloth Sar alias Pol Pot gab, war, errichtete einen steinzeitkommunistischen Bauernstaat und ließ die Stadtbevölkerung aufs Land zwangsumsiedeln. Über eine Mio. Kambodschaner kamen in den knapp vier Jahren der Pol-Pot-Herrschaft um, Sihanouk überlebte nur, weil China den Roten Khmer klarmachte, daß es seine Ermordung nicht dulden werde.

Nach Grenzkonflikten mit Vietnam überrannte die vietnamesische Armee 1979 die Stellungen von Pol Pots Kindersoldaten, die Chinesen flogen Sihanouk aus Phnom Penh aus. Im Pekinger Exil zimmerte er sofort wieder eine Exil-Regierung aus Monarchisten, Republikanern und Kommunisten zusammen, die militärischen Widerstand gegen die nun folgende zehnjährige vietnamesische Besatzung organisierte.

1991 unterzeichneten die Bürgerkriegsparteien dann ein Friedensabkommen und die UNO entsandte eine große Friedensmission in das Land. Sihanouk wurde als „Vorsitzender eines Obersten Nationalrates“ provisorisches Staatsoberhaupt.

Die Wahlen von 1993 brachten ein politisches Patt hervor. Obwohl die von Sihanouk noch im Exil gegründete und mittlerweile von seinem Sohn Prinz Norodom Ranariddh geführte Vereinigte Nationale Front für ein unabhängiges, neutrales, friedliches und solidarisches Kambodscha
(FUNCINPEC) mit 58 von 120 Parlamentssitzen stärkste Kraft im Parlament wurde, weigerte sich der seit 1985 amtierende pro-vietnamesische Premierminister Hun Sen (Kambodschanische Volkspartei
CPP, 51 Sitze) die Macht abzugeben. Da Hun Sen und seine Anhänger den Sicherheitsapparat und das Militär kontrollierten, saß er letztlich am längern Hebel.
Doch auch hier fand Sihanouk eine für ihn typische Lösung und erklärte sich – der 1955 abgedankt war und 1960 abermals auf den Königstitel verzichtet hatte – zum neuen alten Monarchen von Kambodscha und ernannte Ranariddh zum Ersten, Hun Sen zum gleichberechtigten zweiten Ministerpräsidenten.
Doch die beiden zerstritten sich schnell und 1997 putschte Hun Sen den Prinzen aus dem Premiersamt und regierte mit einem loyalen FUNCINPEC-Flügel weiter. König Sihanouk, dessen Amt auf rein repräsentative Aufgaben beschränkt war, mißbilligte zwar den Putsch, konnte aber nichts unternehmen. Ohnehin hielt er sich nunmehr größtenteils zur medizinischen Behandlung in Peking auf, denn er litt an Bluthochdruck, Darmkrebs und Diabetes. Dennoch setzte er sich weiter für sein Land ein und war z.B. treibender Keil bei der Durchsetzung neuer schärferer Umweltschutzgesetze, mit denen der Raubbau am Regenwald bekämpft werden sollte.
Ranariddh verschanzte sich mit ein paar hundert loyalen Soldaten im Urwald und suchte das Bündnis mit den letzten kämpfenden Resten der Roten Khmer gegen Hun Sun.

Im Jahre 2004 dankte Sihanouk dann aus gesundheitlichen Gründen endgültig ab und überließ seinem Sohn Norodom Sihamoni, der Kambodscha bisher als UNESCO-Botschafter gedient hatte, den Thron. Nach und nach zog sich Sihanouk immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück, kommunizierte fast nur noch über seine Internetseite mit der Öffentlichkeit. Auch der Postkontakt zum Autor dieses Artikels erlahmte.

Am Morgen des 15. Oktobers 2012 ist Norodom Sihanouk friedlich eingeschlafen. Kambodscha verliert mit ihm nicht nur den „Vater der nationalen Unabhängigkeit“ sondern auch den für das Land wohl bedeutendsten Politiker des 20. Jahrhunderts, der immer wieder bestrebt war, zwischen extremen politischen Standpunkten auszugleichen und Bündnisse weit über ideologische Grenzen, angetrieben vom gemeinsamen Anliegen für das Gemeinwohl, zu schmieden.

Kay Hanisch
31. Oktober 2012



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25.8.2012



Nachruf auf einen mächtigen Statthalter: Meles Zenawi

Der Sohn einer christlichen Kleinhändlerfamilie gründete die Marxistisch-Leninistische Liga von Tigray (MLLT), aus der 1985 die Tigray-Volksbefreiungsfront (TPLF) hervorging, welche sich mit anderen, ebenfalls regional geprägten Rebellengruppen zur Äthiopischen Volksrevolutionären Demokratischen Front (EPRDF) vereinigte und der es 1991 gelang, den kommunistischen Diktator Mengistu Haile Mariam zu stürzen. Meles Zenawi, der seine politische Laufbahn noch als überzeugter „Stalinist“ begann und das Albanien Enver Hodschas zum Vorbild hatte, wandelte sich schnell vom Saulus zum Paulus: er errichtete mit Unterstützung des Westens eine kapitalistische Entwicklungsdiktatur mit dem Staatsziel „Wirtschaftswachstum“. 1991 wurde er Staatsoberhaupt, einen Posten, den er 1995 wieder aufgab, als er das mit weitreichenden Befugnissen ausgestattete Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Die Opposition ließ Meles unerbittlich verfolgen, die seit 2010 nur einen (!) von 544 Parlamentsabgeordneten stellt. Mit der Entlassung Eritreas in die Unabhängigkeit verlor Äthiopien seinen Zugang zum Meer, was große Probleme mit sich brachte. Obwohl Eritreas Staatspräsident Isayas Afewerki ein alter Kampfgefährte von Meles war (der im Gegensatz zu diesem seinen stalinistischen Idealen treu blieb), gab es mehrere Grenzkriege zwischen beiden Staaten. Im Jahre 2009 marschierte Äthiopien, das eine der stärksten Armeen des afrikanischen Kontinents besitzt, ins benachbarte Somalia ein und führte dort im Auftrag der westlichen Staatengemeinschaft einen Stellvertreterkrieg gegen die radikalislamischen Milizen der
Union der islamischen Gerichte, die weite Teile des Landes beherrschten.
Trotz aller Anbiederung an die westliche Afrikapolitik hat Meles Zenawi sein Land nie vollkommen der brutalen Privatisierung unterworfen – Banken, Telekommunikation und Medien blieben in staatlicher Hand.
Meles Zenawi starb nach wochenlangem Krankenhausaufenthalt in Brüssel im Alter von 57 Jahren. Die äthiopische Regierung äußerte sich nicht über die Todesursache, nachdem schon in oppositionellen Kreisen seit Wochen Gerüchte über den Tod des Regierungschefs kursierten.


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15.4.2012



Nachruf auf einen Befreiungshelden: Ahmed Ben Bella

Der 1916 geborene Ahmed Ben Bella geriet eher zufällig an die Spitze der Nationalen Befreiungsfront FLN, welche für die Unabhängigkeit Algeriens kämpfte. Am Tag der deutschen Kapitulation 1945 gab es im Osten des Maghrebstaates eine Protestkundgebung für die Unabhängigkeit, welche die französische Kolonialmacht mit brutaler Härte niederschlug – Tausende starben. Dies war der auslösende Moment für Ben Bella, der in einer marrokanisch-französischen Einheit gegen Hitlerdeutschland gekämpft hatte, sich stärker für die Unabhängigkeit des Landes einzusetzen. Schon bald wurde er als gefährlicher Agitator von Frankreich gejagt. Er schloß sich der bewaffneten Spezialorganisation (OS) an und mußte 1950 nach einem Postraub, bei dem 3,7 Mio. Franc erbeutet wurden, ins Gefängnis. Zwei Jahre später gelang ihm die Flucht nach Ägypten. Ben Bella wurde zu einer der Führungsfiguren des antikolonialen Aufstandes. Im Jahre 1956 entführten Angehörige der französischen Luftwaffe sein Flugzeug und Ben Bella verschwand bis zur Unabhängigkeit 1962 hinter Gittern, was ihn endgültig zum Mythos machte. Ben Bella wurde erster Präsident des unabhängigen Algeriens und errichtete ein sozialistisches System mit der FLN als Einheitspartei. In diesen Tagen galt der „Zaim“ („Führer“) Ahmed Ben Bella als einer der unumstritten Köpfe der Dritten Welt und jener Staaten, die ihre koloniale Vergangenheit abschütteln wollten. Doch nur drei Jahre später putschte sein eigener Verteidigungsminister Houari Boumedienne wegen politischer Streitigkeiten und einer anhaltenden Wirtschaftskrise gegen ihn. Erst 1980, zwei Jahre nach Boumediennes Tod, kam Ben Bella wieder frei und ging ins Schweizer Exil. 1990 kehrte er zurück und meldete sich immer mal wieder politisch zu Wort, allerdings war ihm kein Comeback vergönnt. Zeitweilig hieß es auch, er unterstütze die Islamisten.
Ahmend Ben Bella war neben Sir Dawda Kairaba Jawara (Gambia) und Dr. Kenneth Kaunda aus Sambia der letzte noch lebende Unabhängigkeitspräsident eines afrikanischen Staates aus der Entkolonialisierungsphase der 60iger Jahre. Er starb im Alter von 96 Jahren wenige Monate vor dem 50. Jahrestag der algerischen Unabhängigkeit.

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30.1.2012



Nachruf auf einen Separatisten: Rauf Denktasch



Der Jurist war die prägende Figur der Türkischen Republik Nordzypern, ein Staatsgebilde dessen völkerrechtliche Existenz nur die Türkei anerkannte. Bereits 1948 wurde Denktasch Mitglied des Verfassungsrates und von 1949-58 Staatsanwalt. Nach der Teilung Zyperns 1974 und der Besetzung des Nordteils der Insel durch türkische Truppen wurde Denktasch 1976 zum Staatspräsidenten Nordzyperns gewählt. Dieses Amt sollte er bis 2005 innehaben. Denktasch galt als verbohrter Hardliner, mit dem sich in der Zypern-Frage schwer eine Einigung erzielen lassen würde. Über all die Jahrzehnte war sein Gegenspieler auf griechisch-zypriotischer Seite der zeitweilige konservative Staatschef Glafkos Klerides (1974 und 1993-03), mit dem ihn aber eine enge persönliche Freundschaft verband. Rauf Denktasch, der von den türkischen Zyprioten als Landesvater verehrt wurde, verstarb im Alter von 88 Jahren an multiplen Organversagen.








15.1.2012



Nachruf auf einen Notnagel: Malam Bacai Sanha



Der frühere Mitkämpfer und Freund des Staatspräsidenten von Guinea-Bissau, Luis de Almeida Cabral (1975-80), war wie dieser Mitglied der damaligen linken Unabhängigkeitsguerilla PAIGC und hatte in der DDR Politologie studiert. In den blutigen Wirren nach dem Sturz des langjährigen Staatschefs Joao Bernardo Viera (1980-1999) im Jahre 1999 wurde der ehemalige Minister und amtierende Parlamentschef Malam Bacai Sanha zum Übergangspräsidenten gewählt und begleitete dieses Amt bis 2000. Neun Jahre später gelang war Joao Bernardo Viera abermals Präsident geworden – diesmal als Unabhängiger – und wurde von rivalisierenden Soldaten brutal ermordet. Des charismatischen Viera beraubt, sah sich die politische Elite verzweifelt nach einem Kandidaten für das höchste Staatsamt um. Bei den darauffolgenden Neuwahlen trat Sanha als offizieller PAIGC-Kandidat an und verwies damit Kumba Yala, Ex-Präsident (2000-03), Philosoph und einer der schrägsten Populisten Afrikas, auf den zweiten Platz. In seiner kurzen Amtszeit versuchte Sanha, das rebellische Militär zu bändigen und die mit 12.000 Mann für das kleine Land viel zu großen Streitkräfte zu reduzieren und leitete eine enge Kooperation mit Angola ein. Malam Bacai Sanha starb nach langer schwerer Krankheit Anfang Januar in einem Pariser Krankenhaus. Parlamentschef Raimundo Pereira übernahm verfassungsgemäß für 90 Tage das Amt, um Neuwahlen einzuleiten.







22.10.2011



Nachruf auf einen Befreier: Muammar al-Ghaddafi

Sein Vorname Muammar bedeutet auf deutsch „der Erbauer“ und seine Leistungen sind auf Libyen bezogen, beträchtlich. Er schaffte es, aus dem seinerzeit ärmsten Land der Welt, den wohlhabendsten Staat Afrikas zu machen. Im Jahre 1969 übernahm Muammar al-Ghaddafi gemeinsam mit der Gruppe der „Freien Offiziere“ in Libyen die Macht und stürzte den von den Westmächten Großbritannien und USA formal als Marionettenherrscher eingesetzten König Idriss I. Wenn man bedenkt, daß nur ein paar Dutzend junge Kerle einige Institutionen besetzten und dabei auf keinerlei Widerstand stießen, so sagt dies bereits viel über den Rückhalt des Regimes von Idris I. aus.
Die wirtschaftliche Entwicklung Libyens begann eigentlich erst mit der Machtübernahme Ghaddafis. Nach und nach stellte Ghaddafi seine Mitputschisten kalt. Seine rechte Hand Abdelsalam Jallud, der ihm u.a. sieben Jahre als Premier und Nummer Zwei des Regimes gedient hatte, servierte er erst nach 20 Jahren ab.
In dem von Ghaddafi verfassten „Grünen Buch“ stellte dieser seine Dritte Universaltheorie – ein Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus mit starken islamischen und sozialistischen Bezügen – vor. Darin findet sich neben teilweise utopischen wirtschaftlichen Ansichten auch eine brillante Kritik und Analyse an der westlich-parteienbezogenen Scheindemokratie. Ghaddafi wollte hier andere Wege gehen und schuf sogenannte „Volkskongresse“, welche sich mindestens dreimal jährlich jeweils auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene versammeln, um basisdemokratisch die Probleme des Landes zu diskutieren. Diese Volkskongresse wählten Führungskräfte für Verwaltung und Regierung. Es gab also durchaus Möglichkeiten der Mitbestimmung und Libyen war keine totalitäre Diktatur, wie uns die westliche Propaganda – besonders seit Ausbruch des NATO-Krieges gegen Libyen sehr leicht zu durchschauen – immer wieder glauben machen will.
Muammar al-Ghaddafi trat bereits 1979 von allen Ämtern zurück und widmete sich unter seiner neuen Amtsbezeichnung „Revolutionsführer“ vorrangig ideologischen Fragen und der außenpolitischen Repräsentanz seines Landes.
Ghaddafi übte zwar als „Führer“ keine offizielle Machtposition aus, galt aber in dem von Stammesdenken geprägten politischen System Libyens als eine moralische Autorität, die Ratschläge gab. Theoretisch konnte man ihm widersprechen und diese Ratschläge nicht beachten, allerdings war das so gut wie nie der Fall, da man in ihm eine nationale „Vaterfigur“ und den „Stammesältesten von ganz Libyen“ sah.

Den Haß der westlichen Welt zog sich Ghaddafi von Anbeginn seiner „Herrschaft“ zu.
Er verstaatlichte die ausländischen Ölkonzerne und ließ die Gewinne den Libyern zu Gute kommen. Er warf die britischen und us-amerikanischen Truppen aus dem Land und schloß ihre Stützpunkte. Er unterstützte Befreiungsbewegungen gegen den westlichen Kolonialismus in aller Welt – international respektierte wie die POLISARIO (Westsahara), die Sandinisten (Nicaragua), den ANC Nelson Mandelas (Südafrika), aber auch als „Terroristen“ verschriene Gruppierungen wie die IRA, Italiens Rote Brigaden oder bewaffnete Palästinenserkommandos, die gegen die israelische Besatzungspolitik vorgingen.
In Afrika unterstützte Ghaddafi vorwiegend anti-kolonial agierende Herrscher, wie den allseits bewunderten Revolutionär Thomas Sankara in Burkina Faso, aber auch brutale Tyrannen wie Ugandas Idi Amin.
Die Politik der nationalen Souveränität und es geraden Weges, ohne sich vor dem Westen wegzuducken, war eine permanente Provokation des westlichen Kapitalismus.



So erklärte Ghaddafi 1981 in einem SPIEGEL-Interview: „Man darf nicht zurückweichen, wenn man im Recht ist. Was wäre das sonst für eine Logik? Jeder Schwächere müßte kuschen, wenn die Amerikaner es wollten. Wenn ich nicht die Kraft habe, meine Rechte durchzusetzen, so kann das nicht bedeuten, daß ich keine habe.“

Die Antwort des Westens auf so eine Politik ließ nicht lange auf sich warten. 1980 versuchte die NATO Ghaddafis Jet, mit dem er von einem Staatsbesuch aus Polen zurückkam, mit einem Jagdgeschwader über dem Mittelmeer abzuschießen. Ghaddafi wurde gewarnt, sein Flugzeug nahm kurzfristig eine andere Route und die NATO schoß stattdessen eine italienische Passagiermaschine ab – 81 Tote. Das ganze ist als „Zwischenfall von Ustica“ bekannt geworden und wurde bis vor wenigen Jahren extrem vertuscht.

Libyen revanchierte sich später für die komplette Versenkung zweier Patrouillenboote samt Besatzung durch die US-Marine mit einem Anschlag in der Westberliner Diskothek „La Belle“ (2 Tote), welche gern von US-Soldaten genutzt wurde. Daraufhin ließ der us-amerikanische Machthaber Ronald Reagan mit seiner Luftwaffe eines nachts Tripolis und Benghasi bombardieren, mit dem Ziel, Ghaddafi zu töten. Er überlebte, seine kleine Adoptivtochter und 100 weitere Personen starben. Reagan wurde für dieses und seine anderen zahlreichen Verbrechen nie zur Verantwortung gezogen.

Die USA und Großbritannien versuchten, Libyen auch den Terroranschlag auf einen Jumbo-Jet der PanAm im schottischen Lockerbie anzuhängen, doch dieser ging in Wahrheit vermutlich auf das Konto des Iran, der für den Abschuß eines iranischen Airbus durch ein US-Kriegsschiff im Persischen Golf Vergeltung übte. Die angeklagten Libyer wurden jedenfalls freigesprochen, Ghaddafi kaufte sein Land mit einer großzügigen „Wiedergutmachung“ an die Lockerbie-Hinterbliebenen von den UNO-Sanktionen frei und näherte sich nach dem Fall des Ostblockes etwas dem Westen an.

Innenpolitisch errichtete Ghaddafi einen vorbildlichen Sozialstaat mit einem kostenlosen Bildungs- und Gesundheitssystem. Die Libyer wurden per Dekret alle Eigentümer ihrer Wohnung, Auslandsstipendien wurden komplett vom Staat bezahlt und junge Paare erhielten bei der Hochzeit 50.000 US-Dollar. Ein gigantisches Wasserprojekt namens „Great-Man-Made-River“ zapfte riesige unterirdische Wasservorkommen in libyschen Wüste an und belieferte die Küstenstädte mit günstigem Wasser. Dieses Mega-Projekt, welches ohne Kredite von IWF und Weltbank (in westlichen Augen ein Verbrechen!) errichtet worden war, bedrohte die großen französischen Wasserkonzerne, welche in den südlichen Mittelmeerstaaten das Wassermonopol in die Hände bekommen möchten.

Nachdem Ghaddafis Versuche, sein Land mit anderen arabischen Staaten zu vereinen, regelmäßig scheiterten, da er auf der Übernahme seines Systems der Volkskongresse bestand, wandte er sich einem neuen Projekt – der Einheit Afrikas, bei der er mehr Erfolge erzielte, zu.
Er war treibende Kraft bei der Gründung der Afrikanischen Union (AU), die als Gegenstück zur EU fungieren sollte und bestritt einen Großteil der Kosten des Projektes. Als Block sollte sich Afrika besser gegen die Attacken der Finanzmärkte, des IWF und Weltbank verteidigen können. Den ersten afrikanischen Telekommunikationssatelliten, der den schwarzen Kontinent unabhängig von den teuren Gebühren westlicher Telefonkonzerne machte, zahlte Libyen fast komplett aus eigener Tasche – den Konzernen entgingen jährlich 500 Mio. Euro Telefongebühren pro Jahr.

Weil sie scharf auf das libysche Erdöl und Erdgas waren, gaben sich die westlichen „Staatsmänner“ bis Ende 2010 in Tripolis die Klinke in die Hand. Doch der Revolutionsführer wachte darüber, daß nur 11% der Erdölgewinne das Land verlassen, der Rest blieb bei Libyen – ein tödlicher Fehler!

Wegen seines exzentrischen Auftretens in Operettenuniformen, mit Sonnenbrille, Berbergewändern und einem Beduinenzelt, daß er auf seinen Auslandsreisen als Quartier mitnahm galt Ghaddafi im Westen als schräger politischer Clown und wurde gleichzeitig von der Propaganda als „grausamer Diktator“, der keine westlichen Parteien zuläßt, betitelt.

Im Frühjahr 2011 brachen in der Oppositionshochburg Benghasi im Zuge des „Arabischen Frühlings“ in Tunesien und Ägypten Proteste für demokratische Reformen aus, die aber im restlichen Land kaum Widerhall fanden. Westliche Geheimdienste nutzten diese Proteste aber, um die Unzufriedenen zum bewaffneten Aufstand anzustacheln. Kurz darauf wurden in Ostlibyen Regierungsgebäude und Polizeikasernen niedergebrannt, Regierungsanhänger verfolgt und schwarzafrikanische Gastarbeiter von einem aufgeputschten Mob massakriert.
Die Menschenrechtler, welche die ersten Demos organisiert hatten, spielten da schon keine Rolle mehr und wurden kaltgestellt von radikalen Elementen. Ghaddafi setzte die Armee gegen die Randalierer ein, worauf der Westen gewartet hatte. In der UNO wurden unter Druck Frankreichs, Großbritanniens und der USA Sanktionen gegen Libyen und eine „Flugverbotszone“ beschlossen. Unter der von Zynismus triefenden Behauptung „Zivilisten schützen zu müssen“ entfesselte die NATO einen Bombenkrieg gegen das libysche Volk mit Tausenden von Toten und unterstützte islamistische Kämpfer, die brutal unter der Bevölkerung wüteten – nur beseelt von dem einen Ziel: den ungeliebten libyschen Revolutionsführer endlich zu vernichten!
Viele Kriegsgründe, wie den angeblichen Einsatz der libyschen Luftwaffe gegen Demonstranten haben sich im Nachhinein als dreiste NATO-Lügen, um den Überfall auf das Land propagandistisch abzustützen, herausgestellt. Dies gab z.T. sogar die deutsche Bundesregierung zu.
Alle Angebote Ghaddafis für Waffenstillstände und freie Wahlen wiesen der Westen und die von ihm gesteuerten „Rebellen“ zurück, ebenso wie die Friedensinitiativen Venezuelas und der Afrikanischen Union.
Nachdem sich herausstellte, daß die „Rebellen“ kaum Rückhalt im Volk haben und trotz des unterstützenden Bombardements der NATO die Hauptstadt Tripolis, in der im Juli 2011 eine Pro-Ghaddafi-Kundgebung mit mindestens 1 Mio. Teilnehmern stattfand, wohl nie erobern könnten, unternahm die NATO, nachdem der libysche Rundfunk und das TV ausgeschaltet waren, eine Landeoperation und brachte „Rebellen“-Truppen, Söldner aus Katar und NATO-Special-Forces mit Schnellbooten in der Nacht des 21.August in die Stadt.
Nach mehrtägigen Kämpfen floh Ghaddafi aus der Stadt, hielt sich versteckt und rief aus dem Untergrund in Radiobotschaften zum Widerstand gegen die westlichen Besatzer und den von islamistischen Kämpfern dominierten Rebellenmob auf.
Ghaddafi suchte in seiner Geburtsstadt Sirte, in der seine treuesten Anhänger leben, Zuflucht. Nach und nach eroberten die „Rebellen“ dank NATO-Söldnern die großen Städte des Landes. Die verbliebenen Ghaddafi-Hochburgen wie Sirte oder Bani Walid wurden durch einen NATO-Bombenterror vernichtet, der den Straftatbestand des Völkermordes erfüllt.

Als die islamistischen Kämpfer Sirte eroberten, floh Ghaddafi am 20.10.2011 mit seinen engsten Vertrauten in einem Konvoi von fünf Fahrzeugen aus der Stadt. Die NATO bombardierte diesen Konvoi und tötete zahlreiche ehemalige Regierungsmitarbeiter. Ghaddafi schleppte sich schwerverletzt in eine Betonröhre, und verteidigte sich mit seinen Waffen, bis die Munition alle war gegen die „Rebellen“, bis diese ihn aus der Röhre herausszogen und hinrichteten.
Wer das grausame Video von Ghaddafis „Festnahme“ sieht, bei der die langbärtigen Kämpfer des Rebellenrates auf den alten, verwundeten und blutverschmierten Mann einschlagen, hat Zweifel, daß diese Barbaren ein Zeitalter der „Demokratie“ in Libyen einleiten werden.

Kein Regierungschef der westlichen Welt empfand Mitleid mit Ghaddafis Schicksal – aber Mitleid ist ja schließlich auch eine menschliche Kompetenz. Lediglich der italienische Premier Silvio Berlusconi, der eigentlich gegen den Krieg war, aber von Parlament und Staatspräsident dazu „gezwungen“ wurde, erklärte melancholisch zum Tod des ehemaligen Freundes Ghaddafi: „So vergeht der Ruhm der Welt“.

Der venezuelanische Präsident Hugo Chavez, einer der letzten Demokraten unter den Staatsoberhäuptern dieser Welt, erklärte, Muammar al-Ghaddafi werde als „Märtyrer“ und „großer Kämpfer“ in Erinnerung bleiben.

Muammar al-Ghaddafi, der privat einen sehr bescheidenen Lebensstil pflegte, starb wie sein Vorbild, der große libysche Unabhängigkeitskämpfer Omar Muktar, der einst von der italienischen Kolonialmacht hingerichtet wurde. Der sogenannte Grüne Widerstand, die Anhänger des basisdemokratischen Systems von Ghaddafi, kämpft indessen weiter und hat mehrere kleine Städte unter seine Kontrolle gebracht.





„ Daß man mich zu töten versuchte, ist auch eine Tatsache. Die CIA hat Martin Luther King auf dem Gewissen, sie hat Allende auf dem Gewissen, sie hat Lumumba auf dem Gewissen -- warum sollte sie davor zurückschrecken, auch mich noch auf ihr Gewissen zu laden.“

Muammar al-Ghaddafi im SPIEGEL-Interview 1981









3.10.2011



Nachruf auf eine Aktivistin: Wangari Maathai

Die kenianische Umweltschützerin und Frauenrechtlerin starb Ende September im Alter von 71 Jahren an Krebs. Ihr wichtigster Verdienst war die Gründung der „Grüngürtelbewegung“ (GBM), welche mehr als 30 Mio. Bäume pflanzte, um der Ausbreitung der Wüste entgegen zu wirken. Auch als Kämpferin für Meinungsfreiheit, Bürgerrechte und gegen Korruption stand sie während der Ein-Parteien-Diktatur von Daniel arap Moi immer wieder mit einem Bein im Gefängnis. 2004 bekam die erste Ostafrikanerin mit einem Doktortitel den Friedensnobelpreis für ihr Wirken verliehen. In der Politik war Maathai weniger erfolgreich als in der Zivilgesellschaft. Sie schloß sich 2002 der
Nationalen Regenbogen-Koalition (NARC), einem bunt gefächerten Oppositionsbündnis unter dem heutigen Präsidenten Mwai Kibaki an und es gelang dieser Allianz, den Autokraten arap Moi vom Thron zu stoßen. Maathai wurde Abgeordnete und später stellvertretende Umweltministerin. An der korrupten Praxis in der kenianischen Politik konnte sie aber nichts ändern und geriet sehr bald in Konflikt mit den politischen Eliten, die sie versuchten, politisch zu isolieren. Bei den letzten Parlamentswahlen 2007/08, die abermals einen politischen Wandel brachten, verlor sie ihr Abgeordnetenmandat.







26.9.2011



Nachruf auf einen Islamisten: Burhanuddin Rabbani

Bereits während der Herrschaft des letzten afghanischen Königs Mohammed Zahir Shah (1933-73) und des neutralistischen Diktators Mohammed Daud Khan (1973-78) gehörte Rabbani, der einen Lehrstuhl für Philosophie an der Universität Kabul innehatte, zu den Begründern der Islamischen Bewegung (Dschamiat-i-Islami). Nachdem Einmarsch der Sowjetunion kämpfte seine Gruppierung, die als gemäßigter als andere Mudschaheddin-Gruppen galt, mit Ahmed Schah Massud an der Spitze gegen die sowjetische Besatzung und das kommunistische Najibullah-Regime. Nach dessen Sturz und einer kurzen Übergangsregierung einigten sich die verschiedenen Mudschaheddin-Gruppen 1992 auf Rabbani als Staatspräsident. Doch die konkurrierenden Warlords waren nicht zu einer gemeinsamen Regierung fähig. Durch Kämpfe untereinander legten sie mit Raketen Kabul in Schutt und Asche. Mit US-Hilfe und Unterstützung Pakistans übernahmen 1996 die noch radikaleren Taliban-Milizen die Herrschaft über Afghanistan und Rabbani mußte aus Kabul fliehen. Die letzten Reste des gestürzten Regimes schlossen sich unter Führung des charismatischen Militärführers Massud in der „Nordallianz“ zusammen und leisteten Widerstand gegen das radikal-islamische Steinzeitregime der Taliban. Mindestens 10% Afghanistans waren immer unter Kontrolle dieser Allianz. Auch wenn die Taliban Kabul und den Großteil des Landes beherrschten, blieb Rabbani international anerkanntes Staatsoberhaupt des Landes und seine Leute besetzten Afghanistans UNO-Sitz ebenso wie seine Auslandsbotschaften. Erst mit den Anschlägen des 11. September 2001 änderte der Westen seine Politik, unterstützte plötzlich die Nordallianz und bombte ihr den Weg nach Kabul frei. Rabbani zog in die Hauptstadt ein und meldete seinen Anspruch auf das höchste Staatsamt an. Doch der Westen schaffte es auf der Petersberg-Konferenz seine Marionette Hamid Karzai als Staatschef zu installieren und sowohl Rabbani als auch den ehemaligen König Zahir Shah kaltzustellen.
Zum Schluß wurde Rabbani wieder aktiv als Vorsitzender des Friedensrates, der „gemäßigte“ Taliban zum Umschwenken ins Regierungslage bewegen soll. Der 71-jährige, welcher der zweitgrößten afghanischen Ethnie der Tadschiken angehört, wurde vor ca. einer Woche durch eine Bombe getötet, die einer seiner beiden Gäste, die zu Friedensgesprächen kamen, im Turban getragen haben soll. Die Taliban bestritten, den Befehl für den Anschlag gegeben zu haben.






23.6.2011

Nachruf auf einen Westentaschen-Autokraten: Frederick Chiluba

Er galt als der „Lech Walesa Sambias“ – der frühere Gewerkschafter wurde unter der Regierung des als weise geltenden, aber autokratischen Staatsgründers Kenneth Kaunda zum Führer der Gewerkschaftsopposition im Kupfergürtel des Landes. Als nach dem Ende des Ostblockes der Wind des Wandels durch Afrika wehte und sich Kaunda einer immer größeren Anzahl von Menschen gegenübersah, die das Ende der Einparteienherrschaft der Vereinigten Nationalen Unabhängigkeitspartei (UNIP) forderte, stimmte er freien Wahlen zu. Der als „David“ (Chiluba war nur ca. 1,50 Meter groß) gegen „Goliath“ Kaunda (1,80 m) bezeichnete Gewerkschaftsführer gewann die Präsidentschaftswahl gegen den Amtsinhaber während Chilubas Partei Bewegung für Mehrparteiendemokratie (MMD) die Mehrheit der Parlamentsmandate errang. Kaunda akzeptierte seine Niederlage und zog sich aus der Politik zurück. Die Aufbruchsstimmung unter Chiluba verflog schnell. Privatisierungen der ineffizienten Staatsbetriebe brachten Massenentlassungen, der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung blieb aus. Als Kaunda 1996 wieder die Führung der UNIP übernahm und sich große Teile der Bevölkerung sich nach dessen christlichem Sozialismus („Sambischer Humanismus“) sehnten, da es vielen trotz aller Probleme damals wirtschaftlich besser ging, ließ Chiluba den über 70-jährigen Staatsgründer inhaftieren und die Gesetze so verändern, daß dieser nicht mehr zur Wahl antreten konnte. Auch innerparteilich war Chilubas autoritärer und IWF-freundlicher Kurs stark umstritten. Es gab ständig Abspaltungen von der MMD, die prominenteste war das
Forum für Demokratie und Entwicklung (FDD). Als der kleine Präsident, der inzwischen in mehreren Korruptionsskandalen versunken war, die Verfassung ändern lassen wollte, um sich eine dritte Amtszeit zu genehmigen, wurde er durch seine Parteifreunde abgesägt. Sein Nachfolger Levy Mwanawasa (MMD), der zunächst als Chiluba-Gefolgsmann galt, ließ ihm wegen Korruption den Prozeß machen.
Chiluba verstarb im Alter 69 Jahren an Herzversagen in der sambischen Hauptstadt Lusaka.







28.10.2010

Nachruf auf einen nationalen Retter: Nestor Kirchner

Der frühere Präsident Argentiniens übernahm das Steuer seines Landes in schwerer Zeit. Eine gewaltige Wirtschaftskrise hatte 2001 das ganze nationale Finanzsystem zusammenbrechen lassen, die neoliberalen „Reformen“ hatten zu breiter Verarmung geführt und innerhalb einer Woche verschlissen die Argentinier fünf Staatsoberhäupter. Zukunftsängste, Unruhen und wirtschaftliches Chaos machten sich breit. Als Nestor Kirchner als Außenseiter vom linken Flügel der mächtigen Peronistischen Partei (PJ) zum Präsidenten gewählt wurde, wußte keiner, wofür der farblose Gouverneur der südlichen Provinz Santa Cruz eigentlich stand. Doch schnell gewann Kirchner an Profil und führte Argentinien aus der Krise. Er stellte den ruinösen Schuldendienst des Landes vorläufig ein, alles Geld wurde für den Aufschwung gebraucht. Aufmüpfigen Gläubigern drohte er, sie würden gar kein Geld sehen, wenn sie versuchen, seine anti-neoliberale Konsolidierungspolitik zu behindern. Er ließ die Verbrechen der argentinischen Militärdiktatur aufarbeiten – ein Punkt, an den sich alle vorherigen gewählten Präsidenten nicht herangetraut hatten und hochrangige ehemalige Militärs vor Gericht stellen. Außenpolitisch kündigte er die Unterstützung seines Landes für den neoliberalen US-Freihandelspakt ALCA auf und betrieb eine unabhängige Außenpolitik mit guten Kontakten zu den links regierten lateinamerikanischen Staaten.
2007 verzichtete er auf eine weitere Kandidatur als Staatspräsident und überließ seiner Ehefrau, der Senatorin Cristina Fernandez de Kirchner, diesen Posten. Es galt als ausgemacht, daß Nestor Kirchner 2011 wieder für das höchste Staatsamt kandidieren und sich so mit Cristina an der Macht abwechseln wollte. Während seine Frau seine Politik fortsetzte, nahm er sein Parlamentsmandat war und reorganisierte seine Anhänger innerhalb der Peronistischen Partei, welche sich in einer Gruppe namens „Front für den Sieg“ zusammengeschlossen hatten. 2009 wurde Kirchner, der sich sehr für die Integration der lateinamerikanischen Staaten einsetzte, Generalsekretär der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR).
Er starb am 27.10.2010 mit nur 60 Jahren an einem Herzinfarkt. Sein Tod hinterläßt ein politisches Vakuum in Argentinien. Wie schwer sein Verlust für Lateinamerika wiegt, kann man auch daran erkennen, daß selbst im benachbarten Brasilien Präsident Lula da Silva eine dreitägige Staatstrauer ausrief.





29.12.2009

Nachruf auf einen Christdemokraten alter Schule: Rafael Caldera

Mit seiner Wahl in das Parlament von Venezuela 1941 begann der Franco-Bewunderer Rafael Caldera Rodriguez, der sich später zum progressiven Christdemokraten mauserte, seine politische Karriere. Fünf Jahre später gründete er das
Organisationskomitee für eine unabhängige Wahlpolitik (COPEI), welches sich in den darauffolgenden Jahren neben der sozialdemokratischen AD zur bedeutendsten Partei des südamerikanischen Landes entwickeln sollte. Er hatte maßgeblichen Anteil an der Demokratisierung seines Landes nach dem Ende der Militärdiktatur 1958. Im Jahre 1969 gewann er als Kandidat der COPEI die Präsidentenwahl. Im Gegensatz zu seinen sozialdemokratischen Amtsvorgängern setzte er nicht auf eine gewaltsame Beendigung des Bürgerkrieges, sondern erließ eine Amnestie für die linken Guerilleros, nahm diplomatische Beziehungen zu Moskau auf und schuf auch mit der Zulassung der Kommunistischen Partei ein Klima der innenpolitischen Entspannung. Nach dem Ende seiner Amtszeit 1974 wieder Oppositionsführer, versuchte er 1987 ein Comeback mit dem Versuch, sich abermals als Präsidentschaftskandidat der COPEI aufstellen zu lassen, unterlag aber seinem Parteifreund Eduardo Fernandez bei der Abstimmung.
Caldera erkannte einige Jahre später, daß das abgewirtschaftete und korrupte Zwei-Parteien-System in Venezuela am Ende war und gründete mit der Nationalen Konvergenz (CN) ein neues breites Wahlbündnis aus 17 Oppositionsparteien. Der CN gehörten abtrünnige COPEI-Anhänger ebenso an wie die Kommunisten, die Basisdemokraten der
Causa Radical, die Linkssozialisten (MAS) und andere.
Nachdem Sozialproteste der Bevölkerung mit Gewalt niedergeschlagen wurden, 1992 ein linksnationaler Putsch abgewehrt werden konnte und der korrupte sozialdemokratische Staatspräsident Carlos Andres Perez vom Parlament abgesetzt wurde, sehnte sich die Bevölkerung nach den „guten alten Zeiten“ zurück und wählte den über 80-jährigen Caldera 1994 noch einmal zum Staatspräsidenten. Zwar erhielt die CN nur 50 von 203 Parlamentssitzen, doch das Zweiparteiensystem war aufgebrochen wurden. Der greise Caldera, der oftmals im Parlament ein Nickerchen machte, betätigte sich sogleich als Versöhner, in dem er die Putschisten von 1992 um den heutigen Präsidenten Hugo Chavez amnestierte.
Seit 1974 Senator auf Lebenszeit, wurde Caldera, der als unbestechlicher, integerer Patriot galt, 1998 von Chavez durch Wahlen abgelöst. Er starb im Alter von 93 Jahren Ende Dezember 2009.





14.6.2009



Nachruf auf einen Paten: Omar Bongo



Er war nicht nur mit 42 Amtsjahren der dienstälteste Staatspräsident der Welt, sondern galt auch als „französischer Anker“ in Afrika. Omar Bongo übernahm nach dem Tod des Unabhängigkeitspräsidenten Leon M´Ba 1967 das höchste Staatsamt in der Urwaldrepublik Gabun. Obwohl er als Vizepräsident verfassungsgemäß gar keinen Anspruch auf das Amt gehabt hätte, baute er seine Macht zügig aus, entwickelte die
Demokratische Partei Gabuns (PDG) zur Einheitspartei und hielt am extrem pro-französischen Kurs seines Vorgängers fest. Das Erdöl sicherte seinem Volk einen für afrikanische Verhältnisse relativ hohen Lebensstandard und wurde zum Schmiermittel eines umfassenden Patronagesystems, mit dessen Hilfe sich Bongo über vier Jahrzehnte an der Macht halten konnte. Die enge wirtschaftliche, militärische und geheimdienstliche Kooperation mit Paris machten Gabun zur Drehscheibe französischer Militärinterventionen und Umstürze in zahlreichen afrikanischen Staaten. Die graue Eminenz der französischen Afrikapolitik, Jacques Foccard, und „Afrika-Berater“ von drei französischer Präsidenten, ging in Gabun ein und aus. Doch Bongo, der es Berichten zufolge angeblich zum derzeit reichsten Mann Afrikas gebracht haben soll und wertvolle Immobilien und schwarze Konten u.a. in Frankreich haben soll, war nicht nur eine Marionette der ehemaligen Kolonialmacht. Er griff auch in die Politik Frankreichs ein und finanzierte z.B. den Wahlkampf des früheren Präsidenten Jacques Chirac. Die Verflechtungen des Systems Bongo mit dem französischen Staat werden wohl erst in einigen Jahren vollständig aufgedeckt werden. Nach dem Ende des Kalten Krieges sah sich auch Bongo gezwungen, ein Mehrparteiensystem einzuführen. Eine echte Demokratie gab es nicht, das „System Bongo“ erwies sich auch gegen Oppositionsparteien als resistent. Omar Bongo wurde in seinen letzten Amtsjahren immer öfter als Vermittler in afrikanischen Konflikten tätig und galt als weiser „Elder Statesman“, der unter den Führern des Kontinents großen Respekt genoss. Im März 2009 starb Bongos Ehefrau Edith, die Tochter seines kongolesischen Amtskollegen Denis Sassou-Nguesso. Von ihrem Tod hat sich der ohnehin an einem Krebsleiden erkrankte 73-jährige Bongo nicht mehr erholt und zog sich immer mehr zurück.
Am 8. Juni 2009 starb er in einer spanischen Klinik. Die Lage in Gabun blieb nach dem Tod ruhig, viele Einwohner sind geschockt. Niemand weiß so richtig, wie es weitergehen soll, während innerhalb des Bongo-Clans erste Verteilungskämpfe ausgebrochen sind.


7.6.2009



Nachruf auf einen Staatsgründer: Luis de Almeida Cabral

Er war eigentlich nur die zweite Garnitur gewesen hinter seinem Bruder Amilcar, dem legendären Unabhängigkeitsführer des kleinen Staates Guinea-Bissau. Die Unabhängigkeit 1974 erlebte Amilcar Cabral allerdings nicht mehr, da er – vermutlich auf Betreiben des portugiesischen Geheimdienstes – 1973 ermordet wurde. Luis übernahm daraufhin die Führung der Befreiungsbewegung PAIGC (
Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und Cap Verde) und nach der Unabhängigkeit das Amt des Staatspräsidenten. Er verfolgte einen autoritären Kurs und machte die PAIGC zur Einheitspartei. Außenpolitisch orientierte sich Cabral an den Prinzipien der Blockfreiheit und des Anti-Imperialismus. Auch wurde eine Vereinigung mit dem ebenfalls von der PAIGC regierten unabhängigen Inselstaat Kap Verde angestrebt, während Cabral militärische Unterstützung bei Kuba, China und der Sowjetunion suchte. 1980 wurde der nicht vom Festland Guinea-Bissaus, sondern aus Kap Verde stammende Cabral durch einen Putsch des Ministerpräsidenten und früheren Guerillaführers Joao Bernardo „Nino“ Vieira gestürzt, welcher das Land bis 1999 und wieder von 2005-09 regieren sollte. Cabral starb am 30. Mai nach langer Krankheit in Lissabon. Nach seinem Sturz hatte er in Kuba und Portugal Zuflucht gefunden.




4.3.2009

Nachruf auf einen ehemaligen Befreiungskämpfer: Joao Bernardo Vieira

Kein Politiker hat das kleine westafrikanische Land Guinea-Bissau so stark geprägt wie sein Präsident Joao Bernardo Vieira. Gemeinsam mit dem politischen Vorkämpfer der Unabhängigkeit, Amilcar Cabral, wirkte er in der linken Afrikanischen Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und Cap Verde (PAIGC). Vieira führte unter seinem Kämpfernamen „Nino“ den militärischen Widerstand gegen das portugiesische Kolonialregime des Autokraten Antonio de Oliveira Salazar und dessen politischen Testamentsvollstrecker Prof. Marcello Caetano. Nach der Unabhängigkeit 1975 wurde „Nino“ Verteidigungsminister, drei Jahre später Ministerpräsident. 1980 beseitigt er in einem Putsch das Regime von Cabrals Bruder Luis, der als Staatspräsident fungierte.
Bis 1999 hielt sich Vieira an der Macht, setzte den außenpolitischen Neutralitätskurs Cabrals fort und ließ zu Beginn der 90iger Jahre eine Demokratisierung und Oppositionsparteien zu.
1998 begann eine Armeerevolte, mit dem Ziel, Vieira zu stürzen. Durch Unterstützung von Truppen aus Senegal und Guinea konnte er sich als Präsident noch einige Monate im Amt halten, mußte aber im Mai 1999 in die portugiesische Botschaft flüchten und beantragte Aysl bei der ehemaligen Kolonialmacht. 2005 gelang ihm ein politisches Comeback: als Unabhängiger kandidierte er zu den Präsidentschaftswahlen und schaffte es in der Stichwahl dank der Unterstützung seines früheren Erzfeindes Kumba Yala (Präsident 2000-03) zurück an die Macht. Seine im Wahlkampf versprochene „Nationale Versöhnung“ blieb aber aus, der Staat versank immer mehr in der Kriminalität. Vieira lieferte sich Streitigkeiten mit seiner ehemaligen Partei PAIGC und mit Teilen des Militärs. Der Staat wurde immer mehr zu einer Drehscheibe des organisierten Drogenhandels in Westafrika. In der Nacht zum 1. März wurde Armeechef Tagme Na Wai durch eine Bombe getötet. Seine Anhänger in der Armee machten den Staatspräsidenten, einen langjährigen Gegner von Na Wai, für den Anschlag verantwortlich und beschossen am Morgen darauf den Präsidentenpalast mit schweren Waffen. Vieira wurde beim Versuch, aus dem Palast zu fliehen, getötet, seine Frau ließen die Angreifer angeblich ziehen.
Am 2.3.2009 übernahm Parlamentspräsident Raimundo Pereira als kommissarischer Staatschef die Macht, während die Militärs erklärten, der Präsidentenmord sei kein Putsch gewesen, sondern nur die Tat einer isolierten Gruppe innerhalb der Streitkräfte.
Vieira, der einmal selbst putschte und mehrere Putsche und Putschversuche überlebt hat (zwei allein im letzten Jahr) wurde 69 Jahre alt.




26.12.2008


Nachruf auf einen Autokraten: Lasana Conté

Eine Woche nach dem Tod des marxistischen Unabhängigkeitspräsidenten Seko Touré übernahm der Stabschef der Streitkräfte Guineas 1984 die Macht in dem westafrikanischen Land und stürzte die Übergangsregierung unter Lasana Béavogui. Die Machtübernahme des Militärs unter Lasana Conté wirkte damals auf die Bevölkerung zunächst wie eine Befreiung, hatte sich doch Seko Touré vom bewunderten afrikanischen Freiheitshelden, der den französischen Kolonialherren mit ihrem Nationalheiligen General de Gaulle an der Spitze, die Stirn bot und seinem Land die Unabhängigkeit erkämpfte, zum finsteren Diktator gemausert. Französische Destabilisierungsversuche, unterstützt von pro-französischen Nachbarstaaten Guineas führten zur weiteren Verhärtung des Regimes von Touré und seiner
Demokratischen Partei Guineas (PDG).
Lasana Conté und sein Militärkomitee ließen nach dem Putsch die Straflager öffnen und die Pressezensur lockern. Doch die erhoffte Befreiung blieb in den Anfängen stecken. Unter dem Druck von Weltbank und Internationalem Währungsfonds war Conté zu harten Sparmaßnahmen gezwungen, welche die prekäre Situation der Guineer noch verschärften. Conté schwebte zeitweilig ein unter Militäraufsicht stehendes Zweiparteiensystem vor, wie es zeitweise in Nigeria existiert hatte. Erst unter dem Druck westlicher Geberländer ließ er dann zu Beginn der 90iger Jahre wirkliche Oppositionsparteien zu. Zum Demokraten entwickelte sich Lasana Conté aber nie. Obwohl er schwer erkrankt war, an Diabetes und Leukämie litt und bei der Wahl 2003 zur Stimmabgabe nicht einmal vor Schwäche seine Limousine verlassen konnte, hielt der Präsident bis zu letzt an der Macht fest. Seine
Partei der Einheit und des Fortschritts (PUP) hielt die absolute Mehrheit der Parlamentssitze und die Wahlen galten weder als frei noch fair. Auf Streiks und Massenproteste reagierte er mit dem Auswechseln von Regierungspolitikern und Polizeigewalt, während Korruption und Mißwirtschaft überhand nahmen.
Zum Schluß warteten alle darauf, daß der Präsident endlich stirbt und hofften auf einen Neuanfang. Lasana Conté war kein Tyrann vom Schlage eines Idi Amin in Uganda, sondern ein eher gemäßigter Herrscher. Sein Verdienst ist neben der „Demokratisierung“ auch, Guinea aus den in den Nachbarstaaten Sierra Leone, Liberia, Elfenbeinküste und z. T. in Guinea-Bissau tobenden Bürgerkriegen herausgehalten zu haben.
Stunden nach seinem Tod übernahm das Militär unter Moussa Dadis Camara die Macht und erklärte die Regierung und andere Institutionen des Conté-Regimes für aufgelöst, während der Premierminister Ahmed Tidiane Souaré dies ignorierte, munter erklärte, seine Regierung befinde sich weiter im Amt und offenbar ungehindert seinen Tagesgeschäften nachging.



19.10.2008



Nachruf auf einen Populisten: Jörg Haider

Gehaßt, verdammt, vergöttert – so könnte man mit drei Worten das Verhältnis der Österreicher zum Kärntner Landeshauptmann (Ministerpräsident) und BZÖ-Parteichef Jörg Haider bezeichnen. Als dieser, seit 1979 Parlamentsabgeordneter im Nationalrat, sieben Jahre später den Vorsitz der national-liberalen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) übernimmt, die übrigens genauso wie Österreichs Sozialdemokraten (SPÖ) alte Nazis in ihren Reihen hat, gelingt es ihm, aus der unscheinbaren 5%-Gruppierung eine schlagkräftige, moderne europäische Rechtspartei zu machen. Sein Rednertalent, seine geschickte Sozialdemagogie und das Aufgreifen tatsächlicher Mißstände, wie den Parteienfilz von SPÖ und ÖVP, der sich durch alle Institutionen zieht, sichern der FPÖ künftig den ca. 3-fachen Stimmenanteil. Erst in den 90iger Jahren kommt dann das Reizthema Ausländer/Zuwanderung hinzu.
Ein finsterer Rechtsextremist, als den ihn die ausländische Presse gern hinstellte, war Haider nie. Er war ein Populist reinsten Wassers, ein politischer Showmann, der bedingungslos geliebt werden wollte. Rein optisch passte er sich mit seiner Kleidung an das jeweilige Umfeld wie ein Chamäleon an (Trachtenjanker bei Volksfesten, weißer Anzug bei Yuppies etc.) und biederte sich oft auf eine Weise an, die immer irgendwie ehrlich gemeint herüberkam.
1989 wurde er zum Landeshauptmann Kärntens gewählt, mußte aber bereits 1991 zurücktreten, da er öffentlich die „ordentliche Beschäftigungspolitik“ der Nazis gelobt hatte. Auch hier sei im Nachhinein gesagt, daß die Presse diese und ähnliche Aussagen der Schlagzeilen wegen aus dem Zusammenhang riß, wodurch sie natürlich noch befremdlicher wirkten.
Zehn Jahre nach seinem Kärntner Wahlsieg wurde die FPÖ auf Bundesebene zweitstärkste Kraft. Mit den drittplatzierten Konservativen von der ÖVP ging Haider eine Koalition ein. Die EU verhängte deshalb in typisch westlicher Doppelmoral internationale Sanktionen gegen Österreich, obwohl sie gleichzeitig bei dem in Italien mit Hilfe der Post-Faschisten regierenden rechten Medienmogul Silvio Berlusconi, der die Gewaltenteilung mit Füßen trat, oder den rechten Scharfmachern José Maria Aznar (Spanien) und Victor Orban (Ungarn) beide Augen zudrückte.
Haider gab den Parteivorsitz auf und zog sich nach Kärnten zurück, wo er seit 1999 wieder Landeshauptmann war. In der konservativ-freiheitlichen Koalition machte die FPÖ einen farblosen Eindruck und verlor an Zuspruch bei ihren Anhängern. Innerparteiliche Querelen folgten. Haider gründete daraufhin das „Bündnis Zukunft Österreich“ (BZÖ) als neue Partei, die einen etwas gemäßigteren Kurs als die FPÖ verfolgte, aber außerhalb Kärntens nur eine Kleinpartei blieb. Mit Ach und Krach schaffte sie es 2006 bei der Nationalratswahl über die 4%-Hürde.
Bei den vorgezogenen Neuwahlen 2008 zum Nationalrat warf sich Haider wieder selbst in den Wahlkampf, übernahm den Parteivorsitz und machte seine kleine Gruppierung mit fast 11% zum großen Wahlgewinner. Haider, der durch seine Koalitionsangebote nach fast allen Seiten wieder die politische Agenda beherrschte, starb zwei Wochen nach seinem Wahlsieg bei einem tragischen Autounfall in der Nacht zum 11. Oktober im Alter von 58 Jahren. Tags darauf wollte seine Mutter ihren 90. Geburtstag feiern.
Am 12.10. wird Haiders rechte Hand, der erst 27 Jahre alte Stefan Petzner zum neuen BZÖ-Chef bestimmt.
Zur Beerdigung kommen neben den österreichischen Politgrößen wie Bundespräsident Fischer auch mindestens 25.000 Bürger. Die Unfallstelle des umstrittenen Politikers säumt ein Kerzenmeer.




22.8.2008


Nachruf auf einen Reformer: Levy Mwanawasa

Als er 2002 als sambischer Präsident gewählt wurde, galt er nur als eine Marionette seines autoritären Vorgängers Frederick Chiluba. Dieser hatte immer stärkere Machtgelüste entwickelt und zum Schluß sogar versucht, eine nicht in der Verfassung vorgesehene, dritte Amtszeit durchzusetzen. Der Rechtsanwalt und Parteigänger von Chilubas Partei Bewegung für Mehrparteindemokratie (MMD), der nach einem schweren Autounfall 1992 an einer Sprachstörung litt, galt als wenig charismatisch. Einmal im Amt entwickelte Mwanawasa aber recht bald ein eigenes Profil. Die Repression gegen die Opposition und den früheren Gründerpräsidenten Kenneth Kaunda ließ nach und die Regierung ging hart gegen die Korruption der Chiluba-Ära vor. Selbst der Ex-Präsident wurde wegen Bestechlichkeit vor Gericht gestellt, was man zunächst nie für möglich gehalten hätte. Böse Zungen behaupteten, dass Mwanawasa die Antikorruptionsverfahren benutzt hätte, um Staatsapparat und MMD von Chiluba-Anhängern zu säubern.
Im Kampf gegen AIDS, von dem Sambia zu den am schwersten betroffenen Ländern gehört, nahm Levy Mwanawasa eine bedeutend fortschrittlichere Position ein, als sein Amtsvorgänger. Sehr stark engagierte er sich auch für die Kooperation der Staaten des südlichen Afrikas in der Staatengemeinschaft SADC.
2006 wurde Mwanawasa wiedergewählt. Am 19.8.2008 verstarb er nach einem Hirnschlag in einem Pariser Krankenhaus im Alter von 59 Jahren.
Staatsgründer Kenneth Kaunda würdigte den Verstorbenen als „getreuen Diener des Volkes“, der das Recht geachtet und große Visionen für das Land gehabt habe.
Nach Mwanawasas Tod übernahm Vize-Präsident Rupiah Banda das höchste Staatsamt. Laut Verfassung muß in spätestens 3 Monaten ein neuer Präsident gewählt werden.




11.5.2007

Nachruf auf einen Patriarchen: Malietoa Tanumafili II.

Er war einer der am längsten amtierenden Staatsoberhäupter der Welt und bei seinem Tod am 11. Mai 2007 der zur Zeit am drittlängsten amtierende Monarch. Häuptling Malietoa Tanumafili II. führte 1962 gemeinsam mit Häuptling Tupua Tamasese Mea´ole die ehemalige deutsche Kolonie Samoa in die Unabhängigkeit. Fortan herrschten beide gemeinsam als Staatsoberhaupt. Nach dem Tod seines Co-Staatschefs 1963 übernahm Malietoa Tanumafili II. die alleinige Herrschaft über den kleinen Pazifikstaat. Es gelang ihm, traditionelle samoanische Gesellschaftselemente mit denen moderner Politik zu verbinden. So gab es zwar Wahlen, Parteien, eine Regierung und einen Premierminister, gleichzeitig blieben die Privilegien der Häuptlinge weitgehend unangetastet. Nur Häuptlinge konnten ins Parlament gewählt werden, waren selbst wahlberechtigt und organisierten das gesamte dörfliche Leben. Auf internationalem Parkett war Malietoa Tnumafili II. stets geachtet und machte das kleine Südseereich zu einem Anker von Stabilität und Frieden im Pazifik. Obwohl es nur über eine kleine Polizeitruppe und keine eigene Armee verfügt, ist Samoa eines der Länder mit der niedrigsten Kriminalitätsrate weltweit. Dafür sorgte aber das erstarrte Häuptlingswesen für die global höchste Jugendselbstmordrate.
Im Alter von 94 Jahren verstarb der 1913 geborene, stets bescheiden auftretende Monarch im Krankenhaus der Hauptstadt Apia.
Nach seinem Tod wurde Häuptling Tupuola Taisi Tufuga Efi vom Parlament zum Nachfolger bestimmt. Wie in der Verfassung festgeschrieben, soll das Staatsoberhaupt nach dem Tod von Malietoa Tanumafili II. nun nicht mehr auf Lebenszeit, sondern alle 5 Jahre gewählt werden.
Die neuseeländische Premierministerin Helen Clark meinte in ihrem Kondolenzschreiben, M.T. II. habe „mit Weisheit und Humor geherrscht.“



9. 11. 2005

Nachruf auf einen Tyrannen: Milton Apollo Obote

Der einstige Präsident von Uganda führte sein Land 1962 als Premierminister in die Unabhängigkeit von Großbritannien. Kurz darauf entmachtete er Staatspräsident Mutesa II., der gleichzeitig König des privilegierten Teilstaates Buganda war. Apollo Milton Obote errichtete ein Einparteiensystem und ließ jede oppositionelle Regung brutal unterdrücken. Sein politischer Ziehsohn Idi Amin vertrieb ihn 1971 von der Macht. Doch der neue Herrscher entpuppte sich als noch brutaler und unberechenbarer als Obote, der nach Tansania geflüchtet war, wo er das Wohlwollen von Präsident Julius Nyere genoß. Als Idi Amin einen Grenzkrieg mit dem viel größeren Tansania provozierte, marschierten tansanische Truppen und Obote-Anhänger 1979 in Uganda ein. Mittels Wahlfälschung und diktatorischer Mittel hielt sich der wirtschaftlich erfolglose Despot von 1979-1985 ein zweites Mal an der Macht. Gegen die Anhänger des heutigen Präsidenten Yoweri Museveni gingen seine Soldaten besonders brutal vor. Nach dem Obote 1985 von Militärs unter Tito Okello gestürzt wurde, ließ er sich für 20 Jahre im Sambia Kenneth Kaundas nieder. Am 10.10.2005 starb er nach mehreren Schlaganfällen in Johannesburg an Nierenversagen.

Apollo Milton Obote gehörte zu der Generation der “Big Men”, die ihre Heimatländer selbst in die Unabhängigkeit geführt haben. Große politische Verdienste um sein Land hat sich dieser Despot aber nicht erworben.





Kay Hanisch