Putsch in Honduras

Ein Putsch und eine Wahl, die keine war



Die Ereignisse der letzten sechs Monate in Honduras um den Sturz des gewählten Präsidenten Manuel Zelaya können als Lehrstück für alle neoliberalen Kräfte gelten, welche die Demokratie zurückdrängen und den Einfluß der Oberschicht noch weiter ausbauen wollen. Erkennt die Weltgemeinschaft die Wahlfarce der Putschisten an, macht sie sich völlig unglaubwürdig.

Die Präsidentschaftswahlen in Honduras waren wohl jene der letzten 30 Jahre, die am allerwenigsten die Bezeichnung „Wahl“ verdient haben (siehe auch unter Artikel 2005 „Pest oder Cholera“). Wie von der rechtskonservativen Putschistenregierung des ehemaligen Parlamentspräsidenten Roberto Micheletti gewünscht, siegte der Kandidat der rechtskonservativen Nationalen Partei (PN), Pofirio Pepe Lobo.

Lobo gilt, ebenso wie sein Konkurrent von der Liberalen Partei (PL), Elvin Santos, als Mann der Oberschicht. Seit Jahrzehnten dominieren die beiden Parteien PN und PL massiv das politische System von Honduras. Sie werden gesteuert von einem Dutzend wohlhabender Familien, die nahezu das komplette Wirtschaftsleben in Honduras kontrollieren. Während
die PN eher von Kirche und Militär unterstützt wird, ist die PL eher die Partei des städtischen Unternehmertums.
Beide Parteien können als konservative Oberschichten-Parteien verstanden werden, der politische Wettstreit zwischen ihnen dreht sich weniger um Inhalte, sondern nur um die Befriedigung der Interessen ihrer Klientel. Dennoch brachte die Liberale Partei auch moderat fortschrittliche Präsidenten an die Macht wie den Sozialreformer Ramon Villeda Morales (1957-63) oder den Menschenrechtler Carlos Roberto Reina (1994-98).

Mit Manuel Zelaya (PL) gewann 2005 ein reicher Holzhändler und typischer Oberschichten-Kandiat die Präsidentenwahl. Sein nationaler Gegenkandidat war damals übrigens ebenfalls schon Pofirio Lobo, welcher im Wahlkampf die Wiedereinführung der Todesstrafe forderte.

Doch im Laufe seiner Amtszeit kam der volksnahe Zelaya allmählich zu der Erkenntnis, daß die von ihm im Wahlkampf angestrebte Beseitigung der extremen Armut (das versprechen regelmäßig alle Präsidentschaftskandidaten) nicht mit neoliberalen Rezepten erreicht werden kann. So schloß sich Honduras unter dem früheren Befürworter des neoliberalen US-Freihandelsabkommen CAFTA dem linken lateinamerikanischen Staatenbund ALBA an, einem sozialen Gegenpakt zur CAFTA. Dies ließ die USA erzürnen. Bestand ALBA bei seiner Gründung vor einigen Jahren nur aus Venezuela und Kuba, so haben sich dem Bündnis mittlerweile auch Ecuador, Bolivien, Nicaragua und die karibischen Zwergstaaten Dominica, Antigua und Barbuda und St. Vincent und die Grenadinen angeschlossen.
Ebenfalls unter Zelayas Regie trat Honduras dem von Venezuelas linkspopulistischem Staatschef Hugo Chavez initiierten Petrocaribe-Abkommen bei, wodurch das Land venezuelanisches Erdöl zum Vorzugspreis erhielt.

Die bundesdeutsche, angeblich “liberale“ Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNS), welche eine Vorfeldorganisation der ebenfalls angeblich „liberalen“ deutschen FDP ist, hat den Putsch im Sommer 2009 und die Wahlfarce nach Kräften unterstützt, während sie 2005 noch Zelaya gecoacht hatte.

Im Jahr 2005 unterstützte die Stiftung den Kandidaten der Liberalen Partei und rühmte sich nach der Wahl, daß 39 der 62 PL-Abgeordneten „ihre Schule“ durchlaufen haben.

Die deutsche Bundesregierung verschließt allerdings ihre Augen vor derartiger Einflußnahme. In der Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei hält sie es für völlig legitim, daß ausländische Parlamentsabgeordnete von deutschen Parteistiftungen ideologisch „eingenordet“ werden.
Schon im Vorfeld des Putsches hatte die Friedrich-Naumann-Stiftung die Stimmung gegen Zelaya publizistisch geschürt, woran deren Vorsitzender in Honduras, Christoph Lüth, maßgeblich beteiligt war. Einige Monate nach dem Putsch mußte Lüth zugeben, daß die Verhältnisse in Honduras doch nicht so waren, wie von seiner Stiftung dargestellt.

Bereits im Oktober 2008 hatte sich Zelaya mächtige Feinde gemacht. Die Regierung veranstaltete eine öffentliche Ausschreibung, mit der sie das Monopol der Erdölkonzerne Shell, Chevron, ExxonMobil und Dippsa brechen wollte, nachdem Verhandlungen über eine Pacht zweier Tanklager gescheitert waren. Die Konzerne hatten sich an ihre marktbeherrschende Stellung schon derart gewöhnt, daß sie in der Ausschreibung allen Ernstes „eine Verletzung der Regeln der Marktwirtschaft“ sahen. Sie verbündeten sich mit dem honduranischen Unternehmerverband und brachten das Oberste Gericht auf ihre Seite.
Obwohl Zelayas Initiative ganz im Zeichen des so oft von den oben Genannten beschworenen Freihandels stand, brachten sie das Projekt der Regierung zu Fall.

Daraufhin wandte sich Zelaya erst Venezuela und dem Petrocaribe-Abkommen zu.
Den Pharma-Konzernen schlug der honduranische Präsident mit dem weißen Cowboy-Hut, der zu seinem Markenzeichen geworden ist, ein Schnippchen, als er mit Kuba einen Vertrag über die Lieferung günstiger Generika unterzeichnete. Die Weltpharmalobby tobte.
Laboratorios Finlay, eine der größten Pharma-Firmen in Honduras gehört „rein zufällig“ der gleichen Familie, welche auch die großen Tageszeitungen „El Heraldo“ und „La Prensa“ unterhält. Das diese Zeitungen über den Putsch positiv berichteten, kann man sich denken.

Doch nicht nur diese Maßnahmen des Präsidenten erregten die Elite. Sie störte sich auch an der Einführung des kostenlosen Schulfrühstücks und ebenso wie an der Erhöhung der kümmerlichen Mindestlöhne. Als dann Zelaya auch noch von einem „sozialen oder sozialistischen Liberalismus“ sprach, war es vorbei mit der Geduld der Oberschicht. Dieser Präsident, der aus ihren Reihen gekommen war, sich nun aber mit dem gemeinen Volk solidarisierte, war eine Bedrohung. Um so mehr, als das Basisorganisationen, Gewerkschaften und Linke inzwischen die Forderung nach einer Verfassungsgebenden Versammlung erhoben, welche eine neue Verfassung mit mehr demokratischen und sozialen Rechten für die Bürger wie in Venezuela, Bolivien oder Ecuador zum Ziel hat. Eine derartige Verfassung hätte den Einfluß der Eliten noch weiter beschnitten, dem Präsidenten schien die Idee der „Constituente“, einer Verfassungsgebenden Versammlung, jedoch zu gefallen.

Zelaya verlor nach seiner ideologischen Kehrtwendung nach links immer mehr Rückhalt im Parlament. Nur noch eine handvoll Abgeordnete der Liberalen Partei und die fünf Parlamentarier der Linkspartei Demokratische Einheit (UD) unterstützten Zelayas Engagement für die eine neue demokratische Verfassung.
Die UD ist ein Zusammenschluß aus mehreren mehr oder weniger linken Parteien, wie der
Partei für die Transformation in Honduras PTH, der Revolutionären Honduranischen Partei RPH, der Morazanistischen Partei der Nationalen Befreiung PMLN (benannt nach dem Unabhängigkeitshelden von Honduras, General Francisco Morazan) und der Partei der Patriotischen Erneuerung PRP.

Immer wieder ist zu hören, daß der Grund für den Putsch ein „Verfassungsbruch“ des Präsidenten Zelaya gewesen sei und daß er lediglich eine neue Verfassung habe einführen wollen, damit er seine Amtszeit „verlängern“ lassen und seine unbegrenzte Widerwählbarkeit durchsetzen kann. Derzeit kann ein honduranischer Präsident nach seiner vierjährigen Amtszeit nicht wieder kandidieren.
Dazu muß gesagt werden, daß diese Begründung für die Entmachtung des Präsidenten von den Putschisten frei erfunden wurde, um den Sturz Zelayas in der Weltöffentlichkeit zu rechtfertigen. Zumal zur Präsidentschaftswahl im November 2009 in jedem Fall noch die alte Verfassung gegolten hätte, die Zelaya einen Wiederantritt verboten hätte. Eine neue Verfassung wäre frühestens Ende 2010 möglich gewesen und eine erneute Kandidatur Zelayas dann im Jahre 2013 – sofern er diese überhaupt angestrebt hätte.

Nachdem Zelaya erkennen mußte, daß er im Parlament keine Unterstützung für eine Verfassungsgebende Versammlung bekommen würde, wollte er im Frühling diesen Jahres eine Volksbefragung über die Aufstellung einer vierten Wahlurne zu den Parlaments-, Präsidentschafts- und Regionalwahlen am 29. November durchführen lassen, an welcher die Bürger entscheiden konnten, ob eine „Constituente“ überhaupt gewünscht wird.

Doch das Militär, welches nicht mehr seinem Oberbefehlshaber Zelaya, sondern der herrschenden Oberschicht gehorchte, weigerte sich, die Verteilung der Wahlunterlagen durchzuführen, obwohl dies in Honduras seine Aufgabe gewesen wäre. Der Präsident ließ sich davon nicht aufhalten und zog mit Tausenden seiner Anhänger vor die Kaserne, in der die Unterlagen aufbewahrt wurden und erzwang ihre Herausgabe.
Wegen Befehlsverweigerung entließ Zelaya den Armeechef. Aus Protest und aus Solidarität mit dem Geschassten trat der rechtsliberale Verteidigungsminister zurück, während der Oberste Gerichtshof die Wiedereinsetzung des alten Armeechefs forderte.
Einige Tage später drang in der Nacht zum 28. Juni das Militär in den Sitz des Präsidenten ein und holte nach kurzem Widerstand von Zelayas Leibwächtern den Präsidenten im Schlafanzug aus dem Bett und schaffte ihn einem Flugzeug über die us-amerikanische Militärbasis Palmerola ins Exil nach Costa Rica. Die US-Soldaten wollen davon, daß ein Flugzeug auf ihrem Stützpunkt gelandet und wieder gestartet ist, aber angeblich nichts mitbekommen haben.
Damit war die Ära Zelaya in Honduras beendet und die Chance für eine neue Verfassung mit festgeschriebenen Mitbestimmungsrechten und sozialen Reformen fürs Erste nicht mehr möglich.
Während der Oberste Gerichtshof den Putsch begrüßte, leisteten auch die meisten Medien, welche den alten, einflußreichen Familien gehören, den Putschisten Beistand. Der Parlamentspräsident Roberto Micheletti (ein alter innerparteilicher Rivale Zelayas) vom rechten Flügel der PL wurde als „Interimspräsident“ eingesetzt und ein Rücktrittsschreiben Zelayas der Öffentlichkeit präsentiert, welches sich kurz darauf als Fälschung herausstellte.

Nach Aussage des wiedereingesetzten Oberbefehlshabers Vasquez Velasquez war eine Inhaftierung Zelayas in einem honduranischen Gefängnis oder einer Militärkaserne ein zu großes Risiko, da man damit rechnete, daß seine Anhänger den Präsidenten gewaltsam befreien würden.

Die rechten Putschisten und ihre Freunde in Washington und in der Friedrich-Naumann-Stiftung hatten offenbar geglaubt, wie so oft in der Geschichte Lateinamerikas mit ihrem Putsch durchzukommen. Doch weder akzeptierte Zelaya seine Absetzung, noch ließen die lateinamerikanischen Staaten diesen Staatsstreich einfach so geschehen. Venezuelas Präsident tobte, er und die internationale Gemeinschaft werden Micheletti einfach wieder absetzen.
Zelaya ging schon wenige Tage darauf bei zahlreichen lateinamerikanischen Staatschefs ein uns aus und wurde als rechtmäßiges Staatsoberhaupt empfangen.

Obwohl die USA in den Putsch verwickelt waren, äußerte US-Präsident Barack Obama zunächst Kritik am Sturz Zelayas und verlangte die Wiederherstellung verfassungsgemäßer Verhältnisse. Einige Tage später äußerte sich seine Außenministerin Hillary Clinton zu den Ereignissen in Honduras und ihre Kritik klang wesentlich verhaltener. Von da an war klar, daß sich in den USA entweder die Befürworter des Putsches durchgesetzt hatten, oder das Obama ohnehin nicht allzu viel zu sagen hat in den USA und er, wie Hugo Chavez sich ausdrückt „ein Gefangener des Imperiums“ ist, eine freundliche Marionette der Oligarchen nach dem George W. Bush in der Welt untragbar geworden war.

Während der gestürzte Zelaya im Ausland auf große Unterstützung bauen konnte – hier sind neben den Staatsoberhäuptern der ALBA-Länder besonders noch Brasiliens sozialdemokratischer Präsident Lula da Silva, Spaniens Premier José Luis Rodriguez Zapatero und Argentiniens linksperonistische Staatschefin Christina Kirchner zu nennen – wurde die Putschregierung von keinem Land der Welt anerkannt. Lediglich die USA und die erzkonservativen Präsidenten Panamas und Kolumbiens kokettierten mit ihnen.

Auch hatten die Putschisten damit gerechnet, recht bald durch Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der alle amerikanischen Staaten außer Kuba angehören, anerkannt zu werden.
Doch die Zeiten, in denen die USA in der OAS das Regiment führten, sind seit ein paar Jahren vorbei und der OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza schlug sich eindeutig auf die Seite Zelayas und verlangte dessen bedingungslose Wiedereinsetzung.

Kurz darauf versuchte Zelaya mit einem venezuelanischen Flugzeug wieder nach Honduras einzureisen. Am Flughafen hatten sich bereits mehrere tausend seiner Anhänger versammelt, um ihn vor der drohenden Verhaftung zu bewahren, doch das Militär ließ die Landebahn blockieren, so daß Zelayas Maschine abdrehen mußte. Bei den darauffolgenden Protesten wurden zwei Personen erschossen.

Der Sturz Zelayas zeigte, welcher Riß durch die honduranische Gesellschaft ging. Während die staatlichen Institutionen, die etablierten Medien und die Kirche sowie die Parlamentsparteien der Nationalen (55 Sitze), der Liberalen (62 Sitze), Christdemokraten (4 Sitze) und selbst der Sozialdemokraten (2 Sitze) den Putsch begrüßten, wurde er von Basisbewegungen, Menschenrechtsgruppen, Gewerkschaften, der Linkspartei UD (5 Sitze) und Demokratieaktivisten verurteilt.
Die Spaltung zwischen Volk und Obrigkeit zeigte sich auch bei Sozialdemokraten (PINU) und Liberaler Partei (PL), da sich vieler ihrer einfachen Mitglieder und untergeordneten Funktionäre an den Protesten beteiligten. Besonders an der PL-Basis gärte es. Im Juli versammelten sich 1.000 Mitglieder der Liberalen Partei zu einer „Vollversammlung“, verurteilten den Putsch und forderten den Parteiausschluß von Micheletti und dem liberalen Präsidentschaftskandidaten Elvin Santos.

Einige verfassungstreue Minister, wie Zelayas Außenministerin Patricia Rodas engagierten sich von Anfang an gegen den Putsch und wurden mißhandelt und kurzzeitig verhaftet. Es gründete sich ein „Kabinett im Widerstand“ mit mehreren abgelösten Ministern, welches den gestürzten Zelaya als rechtmäßigen Präsidenten betrachtet.
Weiterhin bildete sich eine oppositionelle „Widerstandsfront gegen den Staatsstreich“, bestehend vor allem aus sozialen Bewegungen und Gewerkschaften. Diese „Front“, mit dem Gewerkschafter Juan Barahona als Koordinator an der Spitze, organisierte Massenproteste in Honduras.

Als die USA merkten, daß sie sich mit dem Putsch in eine Sackgasse manövriert hatten und Honduras möglicherweise im Chaos versinken würde, schickten sie einen Vermittler ins Rennen, der den Zerfall des Staates aufhalten und dennoch den ideologischen Sieg der Putschisten sicherstellen sollte. Ihre Wahl fiel auf Oscar Arias Sanchez, den Staatspräsidenten von Costa Rica. Arias, ein rechter Sozialdemokrat, hatte in seiner ersten Amtszeit 1986-90 bereits mit dem legendären „Arias-Plan“ die mittelamerikanischen Staaten El Salvador, Nicaragua, Honduras und Guatemala befriedet und war dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurden. Zudem galt er als mehr oder weniger US-loyal.

Arias stellte nach Gesprächen mit Emissären Zelayas und der Putschisten einen Friedensplan auf, der eine Rückkehr des Präsidenten nach Honduras und eine Wiedereinsetzung ins Amt vorsah, sowie eine Regierung der Nationalen Einheit, an der alle relevanten Parteien beteiligt werden sollten. Als Gegenleistung sollte Zelaya auf die Constituente verzichten. Während der gestürzte Präsident nach einigen Tagen Arias´ Vorschläge akzeptierte, weigerten sich die Putschisten eine Rückkehr Zelayas in sein altes Amt zuzulassen.

Daraufhin versuchte der Präsident zu Fuß von Nicaragua aus über die Grenze zu gelangen. Tausende seiner Anhänger machten sich wieder auf den Weg, um ihn zu empfangen und vor einer Verhaftung zu schützen, doch nur wenige erreichten den Grenzübergang. Das Micheletti-Regime stoppte die meisten Zelaya-Anhänger mit Hilfe des Militärs, Straßen wurden gesperrt, Demonstranten stundenlang eingekesselt und einige Personen ermordet.

Als Zelaya an der Grenze eintraf, erwarteten ihn bereits Polizei und Militär. Umringt von seinen Sympathisanten ließ er sich in der Menschenmenge über die Grenze schieben und verweilte dort einige Zeit, konnte aber nicht in Honduras bleiben, da sonst seine Festnahme erfolgt wäre. Die Beamten an der Grenze behandelten Zelaya zwar respektvoll, wollten sich ihm aber nicht anschließen.
Nachdem er sich wieder nach Nicaragua zurückgezogen hatte, schlug Zelaya mit seinem Tross ein Zeltlager an der Grenze auf und gab internationalen Medien Interviews. Erstmals sprach er von der Gefahr des Bürgerkrieges, sollten Micheletti und seine Mitverschwörer weiterhin so uneinsichtig sein. Im Gegenzug erklärte er aber sofort, daß er nur zum gewaltfreien Widerstand aufrufe.

Während die Putschregierung diplomatisch isoliert und von keiner anderen Regierung der Welt anerkannt wurde, entblödeten sich die Friedrich-Naumann-Stiftung und die FDP nicht Vertreter des Regimes in den Räumen des deutschen Bundestages zu empfangen, darunter den „Menschenrechtsbeauftragten“ des Diktators Micheletti.
Die Verwicklung der Naumann-Stiftung und somit der FDP in den Putsch wurde auch in Deutschland heftig angegriffen. Linkspartei und Grüne kritisierten die Passivität der Bundesregierung und die Honduras-Politik der FDP im Parlament. Die linke Bundestagsabgeordnete Monika Knoche flog selbst nach Honduras, um sich ein Bild von den Geschehnissen zu machen. Auch die Zivilgesellschaft schwieg nicht zu den neokolonialen Attitüden der deutschen „Liberalen“.
Das Nachrichtenportal america21.de veröffentlichte die Kommuniques des honduranischen Widerstandes und initiierte eine Solidaritätskampagne, es gab sogar Demonstrationen gegen die FDP in Berlin und die politische Bürgerbewegung Neue Richtung forderte die Bundeskanzlerin nach der Wahl auf, auf die Ernennung von FDP-Chef Westerwelle zum Außenminister zu verzichten, da dessen demokratische Gesinnung zu bezweifeln sei (www.neuerichtung.de).

Unmittelbar nach seiner Machtübernahme hatte das Putsch-Regime die Medien gleichgeschaltet. Die Fernsehsender brachten nur Zeichentrickfilme, Telenovelas und seichte Unterhaltung statt Nachrichten, die Sendefrequenzen internationaler Medien wurden blockiert und etliche ausländische Journalisten wurden ausgewiesen. So konnte die Bevölkerung über die Proteste gegen die Machtergreifung der Micheletti-Junta nichts erfahren – und wenn doch, wurden die Widerständler meist verunglimpft und die Anzahl der Demonstranten „heruntergeschwindelt“.

Lediglich der Fernsehsender Canal 36, der einem Zelaya nahestehenden Unternehmer gehört und das lokale „Radio Globo“ als Medien mit einer gewissen Relevanz berichteten unabhängig bis kritisch über die Ereignisse im Lande. Daher waren diese beiden „medialen Widerstandsnester“ von Anfang an durch eine Schließung bedroht. Doch Demokratieaktivisten versammelten sich rund um die Uhr vor den Studios der Sender, um sie vor staatlichen Übergriffen zu schützen. Doch dies war kein Hindernis für das Regime. Nach einigen Wochen ließ es die Protestler vertreiben und die Sender durch das Militär stürmen. Die de-facto-Regierung Michelettis hatte sich offenbar nur zurückgehalten, um im Ausland nicht noch stärker unangenehm aufzufallen.
Radio Globo nahm kurz darauf wieder seinen Sendebetrieb von einem anderen Ort aus auf – allerdings nur über das Internet. Auf diese Weise erreichte der Sender nur ca. 5.000 Zuhörer und war damit praktisch tot, wie selbst sein Besitzer einräumte.

Während sich der Protest allmählich totlief – es wurden aufgrund der verstärkten Repression und der Unnachgiebigkeit der Putschisten weniger Demonstranten – gelang Ende September etwas, womit keiner mehr gerechnet hatte. Die Rückkehr des Präsidenten Manuel Zelaya nach Honduras. Tagelang war er heimlich mit vier Begleitern in verschiedenen Autos durch das Land gefahren, bis er endlich Tegucigalpa erreichte. Um seiner Verhaftung zu entgehen, suchte er umgehend die brasilianische Botschaft auf. Dieses Vorgehen war offenbar mit Brasilien abgesprochen. Sofort machte die Nachricht von der Rückkehr des Präsidenten die Runde in der Hauptstadt und viele tausend Demonstranten eilten zur Botschaft, wo Zelaya auf dem Balkon eine Rede hielt und das Volk, aber auch das Militär zum Widerstand aufforderte. Die Putschisten waren davon völlig überrascht. Zum ersten Mal seit Wochen schienen die Demokraten in Honduras wieder in der Offensive zu sein.
Und nun gab Zelaya munter Interviews von der Botschaft aus und rief seine Anhänger zur Rebellion auf. Doch das Regime erholte sich bald von dem Schock. Die Protestler waren schnell vom Militär mit Tränengas und brutaler Gewalt aus den Straßen um die Botschaft vertrieben wurden. Dann setzte die Belagerung ein. Der brasilianischen Botschaft, die als Hoheitsgebiet Brasiliens in Honduras gilt (so wie jede Botschaft als Hoheitsgebiet des durch sie zu vertretenden Staates gilt) wurden zeitweilig immer wieder Wasser und Strom abgestellt.
Das Gebäude, in dem sich ca. 60 Menschen aufhielten, wurde umstellt, in der Nacht mit Militärmärschen und einer speziellen Schall-Kanone aus Israel beschallt und mit starken Scheinwerfern in die Fenster der Botschaft geleuchtet, um zu verhindern, daß die Flüchtigen Schlaf finden. Ferner wurden von Soldaten giftige Substanzen über die Mauern des Botschaftsgeländes geworfen. Ein Arzt bestätigte, daß einige Personen in der Botschaft Atembeschwerden hatten und Blut spucken. Zelaya erklärte, er konnte sich zeitweilig nur mit Atemmaske im Gebäude bewegen. Auch israelische „Sicherheitsexperten“ wurden gesichtet und sollen die Putschisten bei dem Vorgehen gegen die Demonstranten unterstützt haben. Diese Allianz zwischen Israel, daß seit der Ermordung von Yitzhak Rabin keine international vorzeigbare Regierung mehr hatte und dem Desperado-Regime Michelettis läßt sich offenbar damit erklären, daß Israel ein Interesse am Sturz des „Chavez-Freundes“ Zelaya hat, da der venezuelanische Präsident angekündigt hatte, einen unabhängigen Palästinenserstaat anzuerkennen und eine Botschaft im Westjordanland zu eröffnen.
Als die Proteste nicht abebbten, verhängte Micheletti, getreu dem Motto „Ist der Ruf erst ruiniert, lebts sich gänzlich ungeniert“ mitten im Wahlkampf den Ausnahmezustand, verbot Demonstrationen und und drohte mit der Erstürmung der Botschaft, sollte Zelaya nicht ausgeliefert werden. Nun wurde erst recht Jagd auf Demonstranten gemacht, unabhängige Medien, zumindest die, die noch übrig waren, an die Kette gelegt und über 30 Personen ermordet.

Da sich eine Wahl unter den Bedingungen des Ausnahmezustandes international schlecht macht, wurde dieser nach drei Wochen und abgeschlossenen Säuberungsaktionen beim politischen Gegner wieder aufgehoben.

Micheletti ging es nur noch darum, bis zu den Wahlen am 29. November durchzuhalten, um die Macht an einen systemkonformen Kandidaten abzugeben. Die USA unterstützten dieses Spiel und eine Verhandlungsinitiative zwischen Zelaya und Micheletti. Dieser zufolge sollte der gestürzte Präsident auf die Einberufung der Constituente verzichten und dafür wieder vor den Wahlen eingesetzt werden. Doch Micheletti verzögerte von Anfang an das Ganze so, daß der Kongreß, der über Zelayas Wiedereinsetzung entscheiden sollte, erst nach der Wahl zusammentrat und dies natürlich ablehnte, zumal er noch ein Rechtsgutachten des Obersten Gerichtshofes, der selbst in den Putsch verstrickt ist, einholen wollte. Von 128 Abgeordneten stimmten nur 14 für eine Wiedereinsetzung Zelayas, wobei nicht alle Parlamentarier anwesend waren.

Das Land vor den Wahlen war gespalten. Diese Spaltung ging durch Familien, Parteien, die Kirche und die Widerstandsbewegung. Die linke Partei UD, welche die Widerstandsfront unterstützte, beschloß trotzdem an den Wahlen teilzunehmen, da das Micheletti-Regime gedroht hat, die UD würde sonst ihre Parteienzulassung verlieren. Dennoch stimmten viele UD-Mitglieder auf ihrem Parteitag, darunter damalige Parlamentarier, gegen die Wahlteilnahme. Der eigentliche Grund für die Teilnahme dürfte aber wohl gewesen, daß man den Putschisten nicht komplett das Parlament überlassen wollte, falls die Wahl-Farce letztendlich doch von der internationalen Gemeinschaft anerkannt wird.
Hingegen beschlossen zahlreiche Kandidaten der UD, sowie der putschfreundlichen sozialdemokratischen PINU, linksliberale Mitglieder der PL und einige wenige Christdemokraten die gleichzeitig stattfindenden Parlaments- und Regionalwahlen zu boykottieren und zogen ihre Kandidatur zurück. Insgesamt handelte es sich hierbei um über 300 Kandidaten. Auch der aussichtsreichste Präsidentschaftskandidat der Opposition, der von Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft aufgestellte linke Unabhängige Carlos H. Reyes, der in einigen Umfragen auf 12% der Stimmen kam, boykottierte die Wahl.



Der Gewinner der Präsidentschaftswahlen war der Nationalkonservative Pofirio Pepe Lobo, welcher 55,91% der Wählerstimmen bekam. Der Groß-Agrarunternehmer Lobo ist ein typischer Vertreter der Oberschicht, schwer reich und etwas undurchsichtig. Bereits zur Präsidentschaftswahl 2005 trat er als knallharter Law-and-Order-Politiker, der mit der Wiedereinführung der Todesstrafe warb, an, unterlag aber Zelaya. Bei der jetzigen Wahl gab er den nationalen Versöhner und besuchte mit den anderen Präsidentschaftskandidaten den in der brasilianischen Botschaft eingeschlossenen Zelaya.
Obwohl Lobo stramm rechts steht, schien er in seiner Jugend andere Ideale gehabt zu haben. So findet sich eine Ausbildung in Moskau in seiner Biographie – über diese Zeit spricht er übrigens nicht gern.
Auch hat er sich bisher nicht klar zum Austritt oder Verbleib von Honduras in der ALBA geäußert. Immer wieder verbreitet er, die Beseitigung der Armut in Honduras wäre sein wichtigstes Ziel – ohne zu erklären, wie er das mit seinen neoliberalen Idealen schaffen will. Genau dieser Widerspruch hat ja auch den Linksschwenk bei Zelaya ausgelöst.
Daß dies bei Lobo auch passieren könne, gilt dennoch als unwahrscheinlich. Denn die Elite und die USA werden den „Teufel“ Zelaya nicht mit einem „Beelzebub“ Lobo austreiben.



Die Liberalen haben sich durch den Sturz Zelayas selbst weggeputscht, denn der Kandidat der Micheletti-Partei, der reiche Bauunternehmer Elvin Santos erhielt nur 38,16%. Vor dem Putsch lag er in den Umfragen in Führung dank der Popularität Zelayas. Santos vertritt die neoliberal-konservative Linie der PL, auch wenn er sich versuchte, aus dem Streit zwischen Zelaya und Micheletti herauszuhalten.
Die Kandidatin für die seine Vizepräsidentschaft, Margarita Elvir, kam ihm kurz vor der Wahl abhanden. Sie zog ihre Kandidatur zurück und erklärte, sie wolle sich nicht für einen Putsch hergeben.

Den dritten Platz belegte Bernard Martinez von der PINU mit 2,21%. Er war der erste schwarze Präsidentschaftskandidat in Honduras und wurde von den Journalisten zum „Obama von Honduras“ stilisiert. Der Sozialdemokrat teilt die Meinung Zelayas, nach der dringende institutionelle und soziale Reformen in Honduras notwendig sind, will dies aber im Rahmen der bestehenden Verfassung erreichen.

Felicito Avila von den Christdemokraten, die größenteils links von den Liberalen stehen, erhielt 1,92% und unterstützte das Micheletti-Regime.

Für die UD holte Cesar Ham 1,81% der Stimmen, da große Teile der UD-Wähler und -mitglieder die Wahl boykottierten. 2005 konnte die UD noch Platz drei bei der Präsidentenwahl verbuchen.

Die Wahlbeteiligung lag zwischen 25-66% - je nachdem, wem man Glauben schenkt.
Die Putschisten sprachen zunächst von 66% Wahlbeteiligung (2005: 58%), korregierten sich aber kurz darauf auf 60%, während Radio Globo von 43% berichtete und die Widerstandsbewegung die Wahlbeteiligung aufgrund eigener Beobachtungen auf 30-35% schätzte. Zelayas liberale Anhänger hatten eigene Wahlbeobachter in über 400 Wahllokale entsandt und stellten sogar eine Wahlbeteiligung von nur 25% fest.
Internationale Wahlbeobachter waren zu den Wahlen gar nicht erst angereist, da fast alle Staaten die rechtmäßige Regierung unterstützten.
In jedem Falle gilt als sicher, daß die 58% von 2005 nicht überschritten wurden, da große Teile der Bevölkerung zum Wahlboykott aufgerufen hatten. Eine Beteiligung um die 30-35% kann daher als wahrscheinlich angesehen werden. Und dies, obwohl in Honduras Wahlpflicht besteht.

Im Parlament konnten die Nationalen (71 Sitze) den Liberalen ebenfalls eine Niederlage beibringen (45 Sitze). Die Christdemokraten erhielten 5 und die PINU 3 Mandate. Die UD bekam trotz Wahlboykottes großer Teile ihrer Wähler immerhin 4 Sitze im neuen Parlament.

Allerdings fanden sich neben US-Präsident Obama nur drei weitere Staatschefs, welche die Wahl Lobos überhaupt anerkannten: Costa Ricas Oscar Arias, Kolumbiens autoritärer Paramilitär-Präsident Alvaro Uribe und der „Berlusconi von Panama“, Staatspräsident und Multi-Millionär Ricardo Martinelli.

International war die selbsternannte „Übergangsregierung“ also weiterhin isoliert. Auch nach der Wahl wurde Honduras nicht von Micheletti, sondern von Zelayas Außenministerin Patricia Rodas vor der UNO und auf dem Weltklimagipfel in Kopenhagen vertreten. Die meisten honduranischen Diplomaten im Ausland unterstützten ebenfalls den gestürzten Präsidenten. „Umfaller“ fanden wenig Sympathie. Als die Botschafterin von Honduras in Argentinien ihre Unterstützung für Micheletti erkennen ließ, wurde sie von der Regierung in Buenos Aires kurzerhand ausgewiesen.

Wütend über die Widerständler gegen den Putsch, welche durch die ALBA unterstützt wurden, leitete das Micheletti-Regime im Januar 2010 den Austritt Honduras´ aus dem linken Staatenbund ein und ließ sich dies vom noch amtierenden alten Parlament bestätigen. Nur die UD-Abgeordneten und ein Vertreter der PINU stimmten dagegen. Die Nationale Widerstandsfront, welche die Aktivitäten der Putsch-Regierung sowieso nicht anerkennt, erklärte umgehend, daß sowohl sie, als auch das honduranische Volk Mitglied der ALBA bleiben. Diese etwas eigenwillige Vorstellung stieß offensichtlich bei anderen Regierungen Lateinamerikas durchaus auf Wohlwollen.

Die Situation in Honduras scheint sich mittelfristig zu entspannen. Zwar nahm die Widerstandsfront mit einer 15.000-Mann-Demo im Januar ihre Aktivitäten wieder auf, jedoch ist anzunehmen, daß die Regierung Lobo nach und nach von vielen anderen Staaten anerkannt werden wird – besonders von den Satellitenstaaten der USA.
Der als geschickter Vermittler geltende, ehemals linke, heute liberale Staatspräsident der Dominikanischen Republik, Leonel Fernandez Reyna, will zu Lobos Amtseinführung nach
Tegucigalpa reisen und dessen Vorgänger Zelaya auf dem Rückflug gleich als Gast in seine Inselrepublik mitnehmen. Lobo hat als erste Amtshandlung freies Geleit für den immer noch „angeklagten“ Zelaya zugesichert.

Von Lobo sollte man nicht allzu viel erwarten. Aber ein historischer Vergleich drängt sich auf. 1963 wurde der linksliberale Präsident José Ramon Villeda Morales durch einen Militärputsch gestürzt, da er mit Sozialreformen das Leben der armen Bevölkerung verbessert hatte und nun eine Landreform plante. Der Putschist, Oberst Osvaldo Lopez Arellano von der Nationalen Partei, setzte die Landreform aus. Wenige Jahre später kam der korrupte, aber populistische Lopez Arellano wieder an die Macht – doch diesmal führte er die Landreform selbst durch!
Vielleicht steckt ja doch ein bißchen Lopez in Lobo... und auch Zelaya hatte man seine politische Kehrtwende in den ersten Jahren seiner Amtszeit nicht zugetraut.

Kay Hanisch