Iranische Verhältnisse in der BRD

Iranische Verhältnisse in Deutschland

Während alle Welt über den sogenannten Wächterrat in der Islamischen Republik Iran wettert, macht sich mit dem deutschen Bundeswahlausschuß ebenfalls ein Gremium von zweifelhafter demokratischer Legitimität daran, die Demokratie zu sabotieren.

Allzu weit hergeholt ist der Vergleich zwischen dem Wächterrat im Iran und dem Bundeswahlausschuß in der BRD nicht. Denn in beiden Gremien sitzen Vertreter der herrschenden politischen Schicht und entscheiden nacht Gutdünken über das Schicksal ihrer Mitbewerber.
Während der iranische Wächterrat, der auch noch andere Funktionen hat (wie z.B. die Ernennung des Staatsoberhauptes) missliebige und unbequeme Kandidaten, welche sich um das Präsidentenamt bewerben, ohne stichhaltige Begründungen von der Liste streicht – glaubt man unseren Medien – tut der Bundeswahlausschuß nichts anderes. Nur macht er es nicht mit Präsidentschaftskandidaten, sondern mit Parteien, die zur Bundestagswahl antreten möchten.
Auch in diesem Jahr hat der Wahlausschuß wieder zugeschlagen: allein 30 Parteien hat er von der Liste der Wahlbewerber gestrichen, 21 wurden zugelassen, darunter die fünf Bundestagsparteien.
Im Wahlausschuß sitzen die Vertreter der Bundestagsparteien. Daß heißt, die Regierung und die Scheinopposition (sieht man von Teilen der LINKEN ab) bestimmen, wer außer ihnen noch zur Wahl antritt. Also wie im Iran!
Der Bundeswahlleiter ist meist gleichzeitig der Chef des Statistischen Bundesamtes. Die letzten Jahre war dies der CDU-Mann Johann Hahlen. Nun wurde er von Roderich Egeler abgelöst.
Egeler trug laut Frankfurter Rundschau dafür Sorge, daß linke Parteien wie die Bergpartei, die Überpartei und die Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands (APPD) nicht zur Wahl antreten.
Neben der „Partei für Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative“ (kurz: PARTEI), einer eher als Spaßprojekt einzuordnen Gruppierung des ehemaligen „Titanic“-Chefredakteurs Martin Sonneborn, wurde auch gestandenen ernsthaften Kleinparteien wie der „Partei der Arbeitswilligen und Sozial Schwachen“ (PASS) die Zulassung verweigert.
Der PARTEI sprach der Bundeswahlleiter „Ernsthaftigkeit“ ab, ließ aber zwei als ebenfalls wenig ernstzunehmend geltende Parteien zu: die SPD und die FDP! Die eine macht sich lächerlich mit der nicht ernstzunehmenden Forderung nach einem europaweiten Mindestlohn und mit der Behauptung der Lissabon-Vertrag „demokratisiere die EU“, welche ein „Friedensprojekt“ sei – daher wohl auch der Aufbau einer europäischen Interventionsarmee!
Die andere Partei ist den Wählern noch in Erinnerung als deren Vorsitzender Guido Westerwelle mit seinem quietschgelben Guido-Mobil durchs Land fuhr, das Parteiprogramm nur aus der Zahl 18% bestand und er sich mit einem Kasten Bier im Grenzdebilen-Zoo von „Big Brother“ einschließen ließ.
Der ecuadorianische Staatspräsident Abdalá Bucaram Ortiz wurde 1997 wegen „geistiger Unfähigkeit“ abgesetzt, als er in einem Supermann-Kostüm auftrat. Herr Westerwelle empfiehlt sich in Deutschland mit seinem Verhalten hingegen als künftiger Außenminister.

Nach der Zerschlagung der aufstrebenden Partei DIE GRAUEN (fortwährende Landtagswahlergebnisse über 1% brachten Geld aus der Parteienfinanzierung, in Berlin Einzug in mehrere Bezirksversammlungen) unter Beteiligung des deutschen Staates und der Medien wegen angeblichem „Spendenbetrug“ machten viele Mitglieder in der neugegründeten „ Die Grauen - Generationenpartei“ weiter. Eine Konsolidierung dieser Partei ist offenbar nicht erwünscht, deshalb wurde sie zur Wahl nicht zugelassen.

Das Handeln des Wahlausschusses ist nicht transparent. Wie seine Mitglieder nach welchen Kriterien entscheiden, ist für Außenstehende nicht immer erkennbar. Das Parteiengesetz kann nur bedingt dafür als Maßstab genommen werden, denn auch Parteien, welche die Auflagen dieses Gesetzes erfüllt haben, wurden nicht zugelassen – so zum Beispiel im Jahre 2002 die Partei „Liberale Demokraten – die Sozialliberalen“ (LD).
Die LD ist keine Eintagsfliege, sie existiert bereits seit 1982, viele führende Sozialliberale aus der FDP unterstützten damals ihre Gründung nach dem Wechsel der Lambsdorff-Genscher-Truppe vom Koalitionspartner SPD zur Kohl-CDU.
Der Wahlausschuß warf der LD damals vor, sie sei „zu klein“ und ließ am gleichen Tag wesentlich kleinere Parteien zu. Der Ausschuß monierte, daß die Partei lange zu keiner Bundestagswahl angetreten sei – was Vorraussetzung für die Parteieigenschaft sei.
Aber: Die LD trat nicht aus freien Stücken nicht zur Bundestagswahl 1998 an, sondern weil sie der Bundeswahlausschuß von der Liste gestrichen hatte. Im Jahre 1998 lautete die Begründung des Ausschußes, die Partei hätte keine von Wirtschaftsprüfern testierten Rechenschaftsberichte abgegeben – immerhin ein erheblicher finanzieller Aufwand für eine kleine Partei. Man möchte also meinen, dies sein der Grund für die Nichtzulassung gewesen. Seltsamerweise war im Jahre 2002 das Fehlen testierter Rechenschaftsberichte kein Hindernis für die Zulassung einiger Parteien. Fazit: der Ablehnungsgrund für die LD 1998 war an den Haaren herbeigezogen!
Als Partei gilt nach dem Parteiengesetz nur eine Gruppierung, die alle 6 Jahre zu mindestens einer Landtags- oder Bundestagswahl antritt. Europa- und Kommunalwahlen zählen nicht.
Mit der Nichtzulassung der LD 1998 und 2002 verlor die Partei ihren Parteienstatus – inzwischen hat sie ihn durch Teilnahme an der letzten NRW-Wahl wieder.
Der Verlust des Parteienstatus kommt einem Verbot gleich, weil der Ausschuß immer im Zulassungsverfahren darauf hinweisen kann, daß die Gruppierung ja sowieso keine Partei sei.
Als Begründung für die Nichtzulassung der LD 2002 führte der Wahlausschuss an, daß die Partei zur letzten Bundestagswahl nicht angetreten war – das ablehnende Verhalten des Ausschußes wurde also der Partei zur Last gelegt. Ebenso hätte die LD keine Öffentlichkeitsarbeit betrieben – zahlreiche Pressemitteilungen bezeugen das Gegenteil. Nur wenn die „unabhängigen Medien“ diese gleich in den Papierkorb werfen statt sie zu veröffentlichen, kann man dies ebenfalls nicht der Partei negativ anrechnen.

Der Autor dieses Beitrages wiederlegte in einem Schreiben vom 17.1.2004 an den damaligen Bundeswahlleiter Johann Hahlen zahlreiche „Argumente“ des Ausschusses zur Nichtzulassung der LD. Der Bundeswahlleiter antwortete, in dem er auf die soeben wiederlegten „Argumente“ als Antwort verwies. Hatte er den Brief des Autors überhaupt gelesen oder verstanden?

Fazit: Solange der Bundeswahlausschuß kein unabhängiges Gremium ist, sondern von der neoliberalen Viererbande aus CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP weitgehend kontrolliert wird, können Wahlen in Deutschland nicht als frei und fair bezeichnet werden.
Der Bundeswahlausschuß muß ersetzt werden durch ein demokratisches Gremium, dem Vertreter der Zivilgesellschaft, unabhängige sachkundige Bürger, Parteienrechtler, durchaus auch Vertreter der Parlamentsparteien und zu einem kleinen Prozentsatz per Losverfahren ausgewählte Bürger angehören. Diese wählen aus ihrer Mitte den Bundeswahlleiter!

Kay Hanisch