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| Wahl in Liberia |
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Alte Suppe aus neuen Dosen?
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17.11.2005. Es waren noch nicht einmal alle Stimmen ausgezählt, da wurde sie schon als Präsidentin gefeiert: Ellen Johnson-Sirleaf, die erste Frau an der Spitze eines afrikanischen Staates und künftige Präsidentin Liberias. Nach der Auszählung von 97% der Stimmen kommt sie auf 59,4%, ihr unterlegener Rivale, der Weltfußballstar George Weah, kam auf etwa 40% der Stimmen. Schon sprechen Mitglieder von Weahs Kongreß für Demokratischen Wandel (CDC) von Wahlbetrug und skandieren Parolen wie „No Weah! No Peace!“ In der Tat hatte sich der ehemalige Stürmer vom AC Mailand und Weltfußballer des Jahres 1995 große Verdienste um die Wiedereingliederung von ehemaligen Kindersoldaten in die Gesellschaft des krisengebeutelten Landes gemacht. Auch flößte sein Reichtum Vertrauen bei der armen Bevölkerung ein. Wer reich sei, so glaubten die meisten, habe es nicht nötig, sich zu weiter zu bereichern. Inzwischen hat Weah, der im ersten Wahlgang mit 28% führte, in einem BBC-Interview Neuwahlen gefordert und erklärt, die Wahlkommission habe Stimmzettel zugunsten von Ellen Johnson-Sirleaf gefälscht. Weah rief die Bevölkerung zur Ruhe auf, nachdem UN-Truppen protestierende Liberianer mit Tränengas auseinander getrieben hatten, kündigte aber eine Wahlanfechtung an.
Wahlfälschung oder nicht? Afrika ist bekannt dafür, daß seine unterlegenen Präsidentschaftsbewerber nicht gerade die besten Verlierer sind. Andererseits ist es kein Geheimnis, daß die ehemalige Mitarbeiterin der Weltbank Johnson-Sirleaf dem IWF und dem Westen lieber ist, als der populistische George Weah, der kaum eine Schulbildung genossen hat, aus äußerst ärmlichen Verhältnissen stammt und als Held der Jugend und Slumbewohner gilt. Schon jetzt wird Ellen Johnson-Sirleaf, die der amerika-liberianischen Elite entstammt, als „Eiserne Lady“ gefeiert. Doch ist es das, was Liberia jetzt braucht? Schon einmal hatte in Afrika ein Mitarbeiter der Weltbank und Afrikanischen Entwicklungsbank das Präsidentenamt übernommen. 1991 löste Nicéphoré Soglo in Benin den ehemaligen sozialistischen Autokraten Mathieu Kérékou in der ersten demokratischen Wahl des Landes ab. Doch der als Reformer angetretene Soglo enttäuschte. Landauf, landab präsentierte er sich mit weißem Hut und weißen Anzug im Dandy-Look, vermochte oder wollte die demokratischen Spielregeln aber genauso wenig wie sein Vorgänger einhalten und schien an den Sorgen und Nöten der Bevölkerung wenig Anteil zu nehmen. Die Quittung kam 1996, als das Volk den zum Demokraten gewandelten Kérékou, der nicht umsonst den Spitznamen „das Chamäleon“ trug, wieder auf den Präsidentenstuhl wählte.
1820-22 wurden ehemalige Sklaven aus den USA an der afrikanischen Westküste ausgesetzt und gründeten 1847 die Republik Liberia. Diese Amerika-Liberianer bildeten eine Elite, die bis 1980 mit der von einigen Dutzend Familien getragenen „True Whig Party“ das gesamte politische Geschehen in Liberia beherrschte und benahmen sich wie schwarze Kolonialherren. Während die neue Präsidentin dieser oft geschmähten Oberschicht angehört, stammen die meisten Kindersoldaten, aber auch der Kandidat Weah aus den unterprivilegierten Schichten. Es ist unwahrscheinlich, daß diese Spaltung der liberianischen Gesellschaft ohne tiefgreifende Reformen und Einbeziehung der bisher vernachlässigten Bevölkerungsteile zu überwinden ist.
Die 67-jährige Johnson-Sirleaf war zudem lange Zeit eine Gefolgsfrau des 2003 von der Macht vertriebenen Diktators und Warlords Charles Taylor, der mit seiner blutigen Herrschaft und der Unterstützung für Rebellengruppen in den Nachbarstaaten (darunter eindeutige Terror-Armeen wie die berüchtigte RUF in Sierra Leone) Liberia zu einem Paria-Staat machte. Der ehemalige Tyrann sitzt heute im nigerianischen Exil und läßt verlauten, daß er einige Kandidaten zur Präsidentenwahl steuere. Gehört Ellen Johnson-Sirleaf dazu? Zwar hatte sie sich mit Taylor recht bald überworfen und gründete ihre „Einheitspartei“, aber heute wird sie von Jewel Taylor, der Ehefrau des Ex-Diktators unterstützt. Auch einem Tribunal zur Aufarbeitung der Diktatur steht die Präsidentin ablehnend gegenüber, weil dadurch „alte Wunden aufgerissen werden“ würden. Die Gegner Taylors sammeln sich derweil hinter George Weah.
Einen Schritt in Richtung Versöhnung hatte Johnson-Sirleaf schon gemacht. Sie bot George Weah einen Posten in ihrer neuen Regierung an, bevorzugt als Minister für Jugend und Sport. Vermutlich wäre dies das Ressort, in dem Weah noch die größte Kompetenz hätte, doch unter den gegebenen Umständen ist dieser unbedeutende Posten wohl eher eine Brüskierung des unterlegenen Kandidaten. Und jemand mit dem Vermögen eines George Weah wird sich damit nicht „kaufen“ lassen.
Kay Hanisch
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