Déby in der Klemme

Wann stürzt der Wüstencowboy?

17.5.2006. Fast 14 Tage dauerte es, bis die Ergebnisse der Präsidentenwahl vom 3. Mai bekannt gegeben wurden. Tschads Präsident Idriss Déby Itno hatte mit 77,53% der Stimmen seinen Machtanspruch erfolgreich verteidigt. Dies war kein Kunststück, hatte doch fast die gesamte Opposition zum Wahlboykott aufgerufen. Lediglich Brahim Koulamallah von der winzigen Afrikanischen Sozialistischen Bewegung (MSA-R) trat als einziger Vertreter der Opposition gegen Déby an und erhielt 3,67% der Stimmen. Drei weitere Gegenkandidaten Débys waren alle direkt oder über ihre Parteien mit der Regierung liiert. Offiziell Zweiter wurde Delwa Kassiré Coumakoye mit 8,81%, die beiden anderen Kandidaten lagen bei 5,35% und 4,64%.
Die Wahl fand zu einem ungünstigen Zeitpunkt statt, da mehrere Rebellengruppen gegen das Regime kämpfen und sich der Dafur-Konflikt vom Sudan auf den Tschad ausgeweitet hat.
Welt im Blick versucht Licht in das Dunkel zu bringen, wer hier gegen wen kämpft und wer im Hintergrund die Fäden zieht.



Knackpunkt des Konfliktes ist das Volk der Zaghawa, daß sowohl im Westen Sudans (Provinz Darfur) und im Osten des Tschads lebt. Als in Darfur eine Rebellion der schwarzen Bevölkerungsteile (u.a. Zaghawa, Fur und Masalit) ausbrach, bekämpfte die Zentralregierung diese mit Hilfe brutaler Reitermilizen. Aus Furcht vor einem Überschwappen des Konfliktes auf den Tschad
verhielt sich Präsident Déby zunächst neutral und versuchte zu vermitteln. Dies brachte Teile des eigenen Clans gegen ihn auf, die eine militärische Unterstützung der Blutsbrüder auf der sudanesischen Seite forderten.

Gegen die Regierung in N´Djamena kämpfen mehrere Rebellengruppen:

Während die herrschende Elite des Landes, wie auch der Präsident, dem Volk der Zaghawa angehört, besteht die Vereinigte Front für den Wechsel (FUC) hauptsächlich aus der kleinen Tama-Ethnie und wird unterstützt von den sudanesischen Reitermilizen Djanjawid, die in der Provinz Darfur Jagd auf schwarzafrikanische Zaghawa machen und die Flüchtlinge bis tief in den Tschad hinein verfolgen. Die Djanjawid werden von der sudanesischen Zentralregierung unterstützt als Gegengewicht zu den Zaghawa-Rebellen in Darfur.

Die FUC ist eine Allianz mit den Überresten der Bewegung für Demokratie und Gerechtigkeit im Tschad eingegangen, die sich hauptsächlich aus dem kriegerischen Volk der Tubu rekrutiert.

Eine weitere Rebellengruppe ist der Sockel für den Wandel, nationale Einheit und Demokratie (Scud), dem sich viele Zaghawa angeschlossen haben, darunter auch hohe Militärs von Déby, die der Regierung vorwarfen, die Zaghawa im Sudan zu wenig zu unterstützen.

Die sudanesische Regierung des Diktators Omar al-Bashir beschuldigt den Tschad, die Rebellen in der Krisenprovinz Darfur zu unterstützen und so den Sudan zu destabilisieren.
Aus Rache unterstützt Sudan seinerseits die Rebellen im Tschad.

China versorgt Sudan mit Waffen gegen Erdöl und hält im Weltsicherheitsrat schützend seine Hand über das Bashir-Regime. Angeblich soll sich Taiwan hingegen in Tschads Ölindustrie eingekauft haben. China begrüßt auch deshalb eine Ausweitung des sudanesischen Einflußes in der Region.

Die zivilen Oppositionsparteien wünschen sich ein Ende des Déby-Regimes, scheinen aber von den Rebellen ebenfalls nicht viel zu halten.



Staatspräsident Idriss Déby und sein Clan gehören dem Minderheitsvolk der Zaghawa an.
Die Patriotische Heilsbewegung (MPS) des Präsidenten hat die absolute Mehrheit im Parlament, regiert aber in Koalition mit einigen kleineren Parteien.

Auf Seite der Regierung stehen:

Die Regierungsarme mit ca. 17.000 Soldaten, 60 Kampfpanzern und einigen wenigen leichtbewaffneten Schulflugzeugen. Nachdem der einzige Hubschrauber vor ein paar Wochen abgeschossen wurde, ist so gut wie keine Luftaufklärung möglich. Die meisten hohen Militärs sind Zaghawa.

Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich besorgt die Luftaufklärung für das Regime und hat mindestens 1.200 Soldaten und einige Mirage-Kampfflugzeuge im Tschad. Frankreich ist derzeit international die wichtigste Stütze der Regierung.

Kamerun läßt von seinen Häfen französische Waffen an die Regierung in N´Djamena transportieren.

Die Zentralafrikanische Republik (ZAR) unterstützt Déby, hat ihre Grenzen zum Sudan geschlossen und die diplomatischen Beziehungen zu diesem Land abgebrochen. Der mittlerweile gewählte ZAR-Präsident Francois Bozizé hatte sich vor einigen Jahren mit Débys Hilfe an die Macht geputscht. Die Armee der ZAR ist zu schwach, um zu verhindern, daß die FUC-Rebellen teilweise auf zentralafrikanisches Territorium ausweichen.

Die USA trainieren Tschads Armee im Anti-Terror-Kampf. Die US-Konzerne Chevron und Exxon beuten gemeinsam mit Petronas (Malaysia) die tschadischen Ölquellen aus. Im gegenwärtigen Konflikt übten sie bisher Zurückhaltung.

Die Rebellen im Sudan zählen ebenfalls zu den Verbündeten der Regierung. Die Sudanesische Befreiungsarmee (SLA) wird auch von den USA und Eritrea unterstützt, ihr Alliierter ist die ebenfalls in Darfur kämpfende Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit
(JEM).

Die FUC sucht eine Annäherung an den Scud, doch die Interessen sind völlig gegensetzlich. Lediglich der Wunsch nach Débys Sturz eint die Rebellen. Die FUC hat die Unterstützung der Zentralregierung Sudans, der Scud will den sudanesischen Rebellen helfen. Nach einem Sturz des Präsidenten werden sich beide Gruppen gewiß gegenseitig bekämpfen.
Seit dem er 1990 den Diktator Hissen Habré, dessen rechte Hand er früher war, durch einen Bürgerkrieg von der Macht vertrieb, genießt Idriss Déby den Ruf eines ausgezeichneten Strategen. Diesem wurde er vor wenigen Wochen wieder gerecht, als die Rebellenkommandos der FUC in die Hauptstadt N´Djamena eindrangen, in der Hoffnung den Präsidenten entmachten zu können. Die Rebellen glaubten sich schon fast am Ziel, doch erst verfuhren sie sich in der Hauptstadt und dann stellte sich heraus, daß sie in eine Falle getappt waren. Das Militär erwartete die nächtlich eingesickerten Kämpfer. In den engen Straßen wurden ihre offenen Pritschenwagen zur leichten Beute für die tschadischen Panzer.
„Als die Söldnerkolonne in N´Djamena ankam, wurde sie erwartet. Unsere Kräfte waren da. Der Hinterhalt stand bereit. Wir haben ihnen die Croissants und den Café heiß serviert, sehr heiß“, gab sich Déby im Interview mit dem Figaro selbstbewußt.

Sein militärisches Know-How erhielt Déby unter anderem in Frankreich, im Luftfahrtinstitut Amaury-de-La-Grange ließ er sich 1976 zum Kampfpiloten ausbilden. Dort bekam er auch den Spitznamen „Wüstencowboy“.
Nur zwei Jahre nach der Unabhängigkeit 1960 brach der Bürgerkrieg aus, der einmal heftiger, einmal weniger heftig, weite Teile des Landes umfaßte. Eine wirkliche Demokratie hat es im Tschad nie gegeben. Als Déby 1990 die Macht übernahm, gelang es ihm, weite Teile des Landes zu befrieden und die Beziehungen zu Libyen und Frankreich, die vorher die gegnerischen Bürgerkriegsparteien unterstützt hatten, gleichsam zu verbessern. Débys gemäßigte Diktatur mit Mehrparteiensystem gehört wohl zu den moderatesten Regierungen, die der Tschad jemals hatte, doch die Lebensverhältnisse für die Bevölkerung haben sich nicht verbessert und eine Klüngelwirtschaft wurde lediglich durch eine andere abgelöst. Die FUC-Rebellen sind durch ihre Niederlage in der Hauptstadt entscheidend geschwächt. Doch schon vermeldet die Regierung der Zentralafrikanischen Republik, daß sudanesische Transportmaschinen Waffen in den Norden der ZAR bringen, um dorthin geflüchtete FUC-Kämpfer zu unterstützen.
Fest steht, daß der Stuhl von Idriss Déby wackelt. Noch hält Frankreich seine schützende Hand über den Wüstencowboy von N´Djamena. Aber wenn Déby nicht bald erkennt, daß nur ein politischer Dialog mit der zivilen Opposition, die Einführung echter demokratischer Reformen und wirkliches Bemühen um die Probleme des unterentwickelten Landes langfristig die Stabilität des Tschad gewährleisten können, ist sein strategisches Genie vielleicht doch überbewertet.

Kay Hanisch