Pest oder Cholera?

Pest oder Cholera?

2.12.2005. Am 27.11. hatte die Bevölkerung von Honduras die Wahl zwischen den zwei Präsidentschaftskandidaten Manuel Zelaya (53) von der Liberalen Partei (PL) und Porfirio Pepe Lobo (57) von der Nationalen Partei (PN). Auch eine Woche nach der Stimmenabgabe konnte noch nicht eindeutig festgestellt werden, welcher Kandidat, die Wahl gewonnen hat. Doch spielt das überhaupt eine Rolle? Alle Präsidenten in der Geschichte von Honduras waren entweder Mitglieder der Liberalen oder der Nationalen Partei. Inhaltlich haben diese beiden Parteien wenig zu bieten und unterscheiden sich programmatisch kaum. Honduras, war im 20. Jahrhundert der Inbegriff einer sogenannten „Bananenrepublik“ und auch heute noch sind die USA ein bestimmender Faktor in der honduranischen Politik.

Zwischen 1900 und 1925 marschierten die Vereinigten Staaten sechsmal in Honduras ein, um ihre Interessen und die der großen Bananengesellschaften durchzusetzen. Zur mächtigsten dieser Gesellschaften entwickelte sich die United Fruit Company (später Chiquita). Sie diktierte nicht nur den honduranischen Regierungen ihren Willen, sondern besaß auch einen Großteil des fruchtbaren Landes und des Eisenbahnnetzes. Die Bananengesellschaften und die USA scheuten sich im Zuge ihrer Hegemonialpolitik nicht, auch brutale Diktatoren, wie Tiburcio Carias Andino (1933-48) zu unterstützen, der Demonstrationen mit Heckenschützen zusammenschießen ließ. Nach der Diktatur Andinos wechselten sich zivile und militärische Führer an der Staatsspitze ab. 1957 gelangte der fortschrittlich-liberale Rámon Villeda Morales (PL) durch Wahlen an die Macht. Er schuf wesentliche Institutionen des heutigen Staates wie u.a. das Arbeitsrecht, die Sozialversicherung und die Verordnungen zur Anerkennung von Gewerkschaften und Genossenschaften. Als er dann auch noch eine Landreform in Angriff nehmen wollte, um die extreme Ungleichverteilung des Landes zu beseitigen wurde er 1963 durch einen us-unterstützten Militärputsch unter Oberst Oswaldo Lopez Arrellano gestürzt. Lopez Arrellano gilt bis heute als umstrittene Figur der honduranischen Politik. Mit dem Parteibuch der Nationalen Partei ausgestattet, genoß er das Vertrauen der USA und hielt gleichzeitig bei den Bananenkonzernen die Hand auf. In seine Regierungszeit (1963-71 und 1972-75) fiel auch der Orkan Fifi. Lopez Arrellano war eine schillernde Mischung aus skrupellosem Caudillo und fortschrittlichen Populisten. Er bereicherte sich an den Hilfsgeldern für die Orkan-Opfer, berief aber auch eine Regierung aus Reformmilitärs, die die erste echte Landreform in Honduras verwirklichten und den Bananengesellschaften bescheidene Exportsteuern auf die Bananen abpreßten, um Investitionen im Land durchführen zu können.

Seit Anfang der 80iger Jahre wurde eine Demokratisierung eingeleitet und die von PN und PL gestellten Präsidenten waren nun Zivilisten. Während die PN eine national-konservative Linie verfolgt und als Partei des Militärs, der Kirche und der Großgrundbesitzer gilt, ist die liberal-konservative PL, in der es mehrere sich bekämpfende Flügel gibt, die Partei des Großbürgertums. 1994 gelangte mit dem Menschenrechtler Carlos Roberto Reina bis 1998 ein Vertreter des linken PL-Flügels an die Staatsspitze, der die Wehrpflicht abschaffte.

Im Gegensatz zu den konservativ geprägten Nachbarstaaten El Salvador und Guatemala, ist in Honduras der auch von Staatsgründer Francisco Morazán vertretene Liberalismus die bestimmende Ideologie. Bauern-, Gewerkschafts- und Menschenrechtsrechtsorganisationen sind jeweils die stärksten in Mittelamerika und in Honduras setzt man zuerst immer auf Verhandlungen. Das neben Nicaragua ärmste Land Mittelamerikas wurde von den USA als Bollwerk gegen Sozialismus und Sandinismus militärisch aufgerüstet und unterhält deshalb heute auch die schlagkräftigste Luftwaffe Mittelamerikas.
Die beiden Kandidaten Zelaya und Lobo unterscheiden sich nur um Nuancen. Beide unterstützen den neoliberalen Kurs des scheidenden Präsidenten Ricardo Maduro (PN) und setzen sich für die von den USA geforderte amerikanische Freihandelszone Cafta ein, die von vielen lateinamerikanischen Ländern - allen voran Venezuela - abgelehnt wird. Die ärmeren Bevölkerungsschichten werden davon nicht profitieren, sondern nur weiter verarmen. Beide Kandidaten haben auch Hunderttausende von neuen Arbeitsplätzen und ein kompromißloses Vorgehen gegen die jugendlichen Straßenbanden (Maras), die allmählich zur größten Bedrohung des Staates werden, versprochen.
Manuel Zelaya hatte sich mit Anfang der Woche mit 50,8% der Stimmen zum Wahlsieger ausgerufen, sein nationaler Kontrahent Porfirio Pepe Lobo bekam 45,2% der Stimmen. Juan Almendares von der linken UD erhielt 1,72%, der Christdemokrat Juan Ramón Martinez bekam 1,35% und Carlos Sosa Coello von der sozialliberalen Partei der Innovation und Nationalen Einheit (PINU) mußte sich mit 0,2% zufrieden geben. Nach wie vor sind die beiden alten Staatsparteien durch ihre Klientelwirtschaft in der Bevölkerung stark verankert und belegen auch im Parlament ca. 90% der Sitze.
Wahlkampf ist in Honduras auch immer ein bisschen eine Farce. Wenn es in der Provinz an etwas fehlt, zum Beispiel an Zement, bringt der Kandidat auf seiner Tour einfach etwas davon mit, um sich beliebt zu machen.

Die derzeitigen Wahlergebnisse ändern sich fast von Tag zu Tag. Lobo bestreitet noch den Sieg von Zelaya. Mit einem endgültigen Ergebnis wird erst in einer knappen Woche gerechnet. Man hofft natürlich, daß der gemäßigtere Zelaya, der zumindest die Wiedereinführung der Todesstrafe ausschließt, das Rennen macht. Aber ändern wird sich für die Bevölkerung nicht wirklich etwas. 64% der Haushalte leben in Armut, 47% gelten als „extrem arm“ und müssen mit weniger als einem Dollar täglich auskommen. Beide Kandidaten stehen für ein wirtschaftliches und gesellschaftliches
„weiter so“! Zelaya oder Lobo – für die meisten ist das nur die Wahl zwischen Pest oder Cholera.

Kay Hanisch