Wer den Kongo regiert

Wer den Kongo wirklich regiert

Herbst 2006. Nun ist es also heraus: der neue Präsident der „Demokratischen Republik Kongo“ (DRK) heißt Joseph Kabila. Was bedeutet dies für den Kongo und was bedeutet es für den Westen, dessen Interesse an den reichhaltigen Bodenschätzen dieses gewaltigen afrikanischen Landes so groß ist?
Zunächst einmal ist Joseph Kabila der Mann, den der Westen schon immer als Kandidat favorisiert hat, auch gilt er als „Marionette“ reicher kongolesischer Geschäftsleute. Als sein Adoptivvater, der Präsident Laurent-Desiree Kabila 2001 von seinem eigenen Leibwächter ermordet wurde, hievte das Militär den Filius auf den Präsidententhron, weil man glaubte ihn leicht beherrschen zu können. Bei der Beendigung des Bürgerkrieges stellte sich der oft belächelte Kabila jr. aber weitaus geschickter als sein Vater an. Die Führer der wichtigsten Rebellengruppen wurden als gleichberechtigte Vizepräsidenten in eine Übergangsregierung aufgenommen, darunter sein Herausforderer in der Stichwahl, Jean-Pierre Bemba.
Joseph Kabila hat ausländischen Konzernen die Bodenschätze zu Schleuderpreisen überlassen. Dennoch dürfte er die bessere Wahl für die Kongolesen sein.

Sein Rivale Bemba ist der Sohn eines Geschäftsmannes, der schon unter dem Kleoptokraten Mobutu Sese Seko sagenhaften Reichtum angehäuft hat. Im Gegensatz zu Kabila tritt Bemba weitaus demagogischer und aggressiver auf. Trotz seiner nationalen Rhetorik besteht kein Zweifel daran, dass auch er zuerst Geschäftsinteressen mit der Bewerbung um das Präsidentenamt verfolgte.

Drittplazierter unter den über 30 Kandidaten im 1. Wahlgang war mit 13% der 82-jährige „Marxist“ Antoine Gizenga, der unter dem Unabhängigkeitshelden Patrice Lumumba 1960/61 stellvertretender Regierungschef war und sich nun zur Unterstützung Kabilas durchgerungen hatte. Er erklärte, dass die Unterstützung für Bemba oder Kabila für ihn eine Wahl zwischen „zwei entsetzlichen Übeln“ sei. Für Kabila entschied er sich nicht wegen dessen Fähigkeiten, sondern weil dieser besonnener auftritt als der Politrabauke Bemba und Gizenga beim Wahlsieg des letzteren eine Spaltung des Landes befürchtete.

Doch eigentlich ist es egal, wer von den beiden das Rennen gemacht hat. Der neue Präsident des größten schwarzafrikanischen Landes wird nach dem Willen der internationalen Hochfinanz ohnehin nichts zu sagen haben, sondern nur deren Vorgaben umzusetzen haben.
Denn die Stimmen des ersten Wahlgangs vom 30. Juli waren noch nicht einmal vollständig ausgezählt, da trafen sich Vertreter von Weltbank und Internationalem Währungsfonds mit Emissären aus den USA und Europa in Kongos Hauptstadt Kinshasa. Gemeinsam einigten sie sich auf ein neues Regierungsprogramm für den Kongo. Aber Kongolesen waren zu dieser neokolonialen Veranstaltung nicht eingeladen. Die Verwendung der internationalen Hilfsgelder durch die neue Regierung ebenso wie die Staatsausgaben – das alles wird nur noch im Einvernehmen mit den Experten aus Brüssel und Washington umgesetzt werden. Weigert sich die neue Regierung, so droht der Westen den Geldhahn abzudrehen.

Zwar sollen unter der Aufsicht des Westens neue gewaltige Wasserkraftwerke zur Stromerzeugung erbaut werden, doch das eigentliche Interesse zielt auf die Bodenschätze des Kongos ab. Fast 70% der Weltreserven von Coltanerz, dass für die Chips in Handys benötigt wird, fast die Hälfte des verfügbaren Kobalts, gut ein Viertel aller Industriediamanten und große Mengen an Gold, Uran und Kupfer machen das Land äußerst populär in den rohstoffhungrigen Staaten des Westens oder in China.

Der Kongo, so sagt man in der westlichen Welt, könnte aufgrund seiner Bodenschätze eines der reichsten Länder der Welt sein. Doch immer wieder flossen die erwirtschafteten Gelder auf die Konten brutaler Warlords oder korrupter Diktatoren. Deswegen müsse der Kongo nun „unter Aufsicht“ gestellt werden, damit es dieses Mal besser wird und alle Kongolesen am Reichtum ihres Landes teilhaben können.
Doch wenn der Niedergang dieses Riesenlandes wirklich nur in der Verantwortung der Kongolesen gelegen hat – warum hat dann der Westen den Diktator Mobutu, der das damalige Zaire zwar halbwegs zusammenhielt, aber auch schonungslos ausplünderte und verkommen ließ, 32 Jahre lang unterstützt? Warum hat ihn der Westen 1997 fallengelassen und seinem noch brutaleren und ebenso korrupten Nachfolger Kabila sr. zur Macht verholfen, statt den demokratischen Reformpolitiker Etienne Tshisekedi zu unterstützen?
Warum fädelte der Westen, speziell Belgien und die USA, nach der Unabhängigkeit die Abspaltung der reichen Kupferprovinz Katanga ein und nahm dafür einen Bürgerkrieg in Kauf?
Warum ließen CIA und Belgien den Premierminister und Nationalhelden Patrice Lumumba ermorden, der darauf bestand, dass Katanga ein Teil Kongos bleibt und der UNO-Truppen ins Land rief?

Das alles spricht eine sehr verständliche Sprache. Die Staaten, die sich heute als die „guten Gouvernanten“ des Kongos aufspielen, haben den Niedergang dieses Landes von der Unabhängigkeit bis heute maßgeblich mitzuverantworten. Damals wie auch heute ging es nur um die Bodenschätze. Nur die Methoden heute sind feinsinniger geworden und naive Entwicklungshelfer lassen sich gutwillig vor den Karren der Konzerne spannen. Sie verteilen die Krumen, während die Mächtigen dieser Welt nach dem ganzen Kuchen grabschen.
Die Militärintervention der UN diente nicht nur vordergründig der „Absicherung der Wahlen“, sondern der Unterstützung von Präsident Kabila. Zwar hätte man sich auch mit Bemba einigen können, doch klebte an den Händen des ehemaligen Rebellenführers zuviel Blut und so etwas sieht in der Öffentlichkeit nicht sehr schön aus.

Die Wahlen im Kongo wurden weltweit als Erfolg gefeiert. Davon, dass die größte demokratische Oppositionspartei, die Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt (UDPS) des kurzzeitigen Reformpremiers Etienne Thisekedi die Wahlen boykottiert hat, liest man heute nichts mehr. Lediglich die kleine Freiheitliche Partei Deutschlands (FP Deutschlands) merkte in einem Schreiben vom 4.6.2006 an Thisekedi an, dass sie die internationale Militärintervention für verhängnisvoll halte und solche Einsätze grundsätzlich ablehne.



Die beste Wahl als kongolesischer Präsident wäre wohl noch der Politveteran Gizenga gewesen. Zum einen hätte der Nationalist bestimmt nicht zugelassen, dass der Reichtum des Kongos unter Wert verkauft wird. Zum anderen orientiert sich seine „Partei der Vereinigten Lumumbisten“ (PALU) als eine der wenigen einflussreichen Gruppen nicht an ethnischen Leitlinien und verfügt über eine homogene Anhängerschaft im ganzen Land. Und der dritte und nicht zu verachtende Grund ist das hohe Alter des Kandidaten – mit 82 Jahren ist man nicht mehr darauf bedacht sagenhafte Reichtümer anzuhäufen oder seine Macht in allen Bereichen auszubauen. Man will seinem Land eher etwas Bleibendes für die Zukunft hinterlassen.

Kay Hanisch