Peru im linken Lager?

Gehört Peru bald zum "Chavez-Block"?

3.4.2006. Vergesst das Geschwafel deutscher Journalisten vom „Wahlkrimi“, wenn es bei einer Landtagswahl darum geht, ob schwarz-rot oder schwarz-gelb regiert, denn gegen die Präsidentenwahl in Peru nimmt sich eine deutsche Landtagswahl so spannend aus wie die 14. Wiederholung der „Lindenstraße“. Am 9.April wird es in dem Andenstaat wirklich spannend.
Die Hauptdarsteller: ein vom venezuelanischen Präsidenten Hugo Chavez unterstützter linksnationaler Ex-Putschist mit leicht rassistischen Untertönen und eine selbstbewußte Vertreterin der alten Oligarchie. In den Nebenrollen: ein charismatischer linker Ex-Präsident, der zurück an die Macht will und dabei auch gegen einen ältlichen, doch allgemein respektierten ehemaligen Übergangspräsidenten antreten muß. Ach ja, eine Anhängerin des Ex-Diktators mischt auch noch mit!

Der derzeitige, durchaus demokratische Präsident Alejandro Toledo, erster Indio im Präsidentenamt, tritt nicht wieder zur Wahl an, da seine Zustimmungswerte infolge seiner neoliberalen Wirtschaftspolitik z.T. nur noch bei ca. 9 - 19% lagen.
Peru steht bei dieser Wahl am Scheideweg. Derzeit liegt der Linksnationalist Ollanta Humala bei den Umfragen vorn, dicht gefolgt von der Christdemokratin Lourdes Flores.

Humala gilt als Fan von Hugo Chavez und würde Peru gern mit dem Bolivien von Evo Morales wiedervereinigen. Sein Vater ist Begründer einer Bewegung, die schon durch extrem nationalistische Ausfälle auffällig geworden ist und die Vorherrschaft der „kupferfarbenen“ Rasse predigt. Humala läßt keinen Zweifel daran, daß er Peru auf einen „bolivarischen“ Pfad führen wird. Im Hochland wird er als Person mit sozialer Verantwortung wahrgenommen und setzt sich auch für die Belange der Kokabauern ein. Mit nationaler und Gerechtigkeit verheißender Rhetorik schaffte es der bis vor einem Jahr noch fast völlig unbekannte 42-Jährige auf Platz eins in den Umfragen (ca. 30%). Humala ist Mitglied der Nationalistischen Partei Perus PNP und tritt für die Union por el Perú an.

Als schärfste Konkurrentin tritt die unverheiratete Christdemokratin Lourdes Flores für das Bündnis Unidad Nacional an. Flores selbst ist Vorsitzende der Christlichen Volkspartei PPC und führt seit 5 Jahren die Mitte-Rechts-Allianz UN. Die 46-Jährige gilt als Vertreterin der Oligarchie und der besser verdienenden Schichten, bemüht sich aber darum, für die ganze Bevölkerung wählbar zu sein. Bei den Umfragen liegt sie bei ca. 31% der Stimmen.

Über den nächsten Kandiaten Alán Garcia gibt es mehr zu erzählen. Schließlich war er schon einmal fünf Jahre lang Präsident und gehört der legendären, heute als sozialdemokratisch bezeichneten, Revolutionären Amerikanischen Volksallianz (APRA) an, mit der er über die bestorganisierteste Partei und die meisten Wahlhelfer verfügt.
Die APRA ist die älteste Partei Perus und wurde 1924 von dem Caudillo Víctor Raúl Haya de la Torre im Exil gegründet. Ihre Zielsetzungen konnte man damals durchaus als sozialrevolutionär-nationalistisch bezeichnen. In den folgenden Jahrzehnten versuchte sie mehrfach durch Wahlteilnahmen oder Putschversuche an die Macht zu gelangen. 1962 gewann Haya de la Torre die Präsidentenwahl, doch das Militär verhinderte seinen Amtsantritt. Die APRA festigte ihre Position beim Volk, indem sie Sport- und Kulturveranstaltungen, Abendschulen, Gewerkschaften und „Volkshäuser“ mit eigenen Niedrig-Preis-Restaurants etc. ins Leben rief. Die Parteiführer genossen uneingeschränkte Verehrung und Haya de la Torre hatte dem italienischen Faschismus einige Elemente entlehnt, um die Begeisterung der Anhänger wecken und lenken zu können, wie z.B. Massenaufmärsche, Parteihymne und Gruß (die Apristen schwenkten ein weißes Taschentuch).
Unmittelbar vor seinem Tod kam der greise Parteigründer 1978/79 seinem Traum von der Präsidentschaft noch einmal kurz nahe, als er von den Militärs und den Parteien zum Präsidenten der Verfassungsgebenden Versammlung gewählt wurde.

Erst 1985 gelang der APRA der Einzug in den Präsidentenpalast. Der jugendlich wirkende Alán García Pérez löste als Hoffnungsträger der ärmeren Bevölkerungsschichten den glücklosen Zentrumspolitiker Fernando Belaúnde Terry (Präsident 1963-68 und 1980-85) im Amt ab.
Zunächst erfolgreich ging García gegen soziale Ungerechtigkeiten, Korruption und die Rauschgiftmafia vor, doch den Kampf gegen die brutale Maoistenguerilla Sendero Luminoso („Leuchtender Pfad“) konnte er wie sein Amtsvorgänger Belaúnde nicht gewinnen. Außenpolitisch steuerte er wie schon zuvor die linksnationale Militärregierung von Juan Velasco Alvarado (1968-75) einen blockfreien Kurs. Seine Ankündigung, den Schuldendienst seines Landes so gut wie einzustellen, führte dazu, daß der beleidigte IWF Peru als „nicht kreditwürdig“ bezeichnete und eine Hyperinflation ausbrach. Der einstige Hoffnungsträger García mußte – inzwischen selbst der Korruption bezichtigt – bei den Wahlen 1990 dem neoliberalen Autokraten Alberto Kenyo Fujimori Platz machen, der das Land wirtschaftlich stabilisieren konnte. Alan Garcia kann derzeit mit etwa 22% der Stimmen rechnen.

Vierter Kandidat mit relativen Chancen ist der 69-jährige Valentín Paniagua, der für die Frente del Centro – einen Zusammenschluß drei kleinerer Zentrumsparteien antritt. Er selbst gehört der Volksaktion AP an, die 1956 von Fernando Belaúnde Terry, dem Altvater der peruanischen Demokratie, gegründet wurde. Paniagua wurde bekannt, als er in seiner Aufgabe als Parlamentschef nach der Flucht des Autokraten Fujimori kommissarisch 2000/2001 das Präsidentenamt übernahm. Die Durchführung sauberer Wahlen und seine „überparteiliche“ Amtsführung trugen ihm auch beim politischen Gegner und beim Volk Achtung ein. Das wirtschaftsfreundliche Programm der Frente del Centro ist ausgewogen und hat auch eine effektive mittelfristige Armutsbekämpfung im Blick. Paniagua kann mit 5-10% rechen, vor ca. 12 Monaten wollten ihn noch 25% als Präsidenten sehen.

Martha Chávez ist Kandidatin der Alianza por el Futoro, einem Bündnis von drei Parteien, von den sich zwei (Bündnis 90 und Neue Mehrheit) zum ideologischen Erbe der Ära Fujimori zählen.
Martha Chavez, die gerade von der Justiz rehabilitiert wurde (angebliche Bestechlichkeit) kann auf ca. 5% der Wähler zählen.

Für die Sozialistische Partei PS geht der politische Dinosaurier Javier Diez Canseco ins Rennen.

Des weiteren wollte für die völlig in Misskredit geratene Regierungspartei Perú Posible (PP) von Präsident Toledo, der politische Tausendsassa Rafael Belaúnde, ein Sohn des früheren Präsidenten, antreten. Der parteilose Belaúnde zog seine Kandidatur aber kürzlich zurück. Ursache war ein Streit des Kandidaten mit der PP. Seine Umfragewerte lagen bei ca. 1% Prozent.

Entscheidend für die Zukunft Perus wird die Konstellation sein, die sich zur Stichwahl formiert: Zentrumsfront und Rechte auf der einen oder Humalistas und APRA auf der anderen? Oder ein Bündnis der „Gemäßigten Reformer“ (APRA und Zenrumsfront)?
Auf jeden Fall: so sieht ein Wahlkrimi aus!

Kay Hanisch