Hier kommt Sarko

Politischer Wechsel in Frankreich

Der neue Präsident Frankreichs hält auch für Deutschland einige Überraschungen parat. Angela Merkel hat jetzt ihren Wunschpartner für die wirtschaftsliberale EU-Verfassung

20.5.2007. Die Stichwahl um das Präsidentenamt in Frankreich am 6.5.2007 hat der Konservative Nicolas Sarkozy mit 53% der Stimmen gewonnen. Doch wer in Deutschland glaubt, dass in unserem Nachbarland alles beim alten bleiben wird, nur weil ein Parteifreund des jetzigen Präsidenten Jacques Chirac das Ruder übernommen hat, der täuscht sich gewaltig.
Allein der Wahlkampf selbst war schon beachtenswert.
Denn von einer Chancengleichheit zwischen Sarkozy und Segolene Royal, der fotogenen Kandidatin der Sozialistischen Partei PS (die eigentlich eher eine sozialdemokratische Partei ist) kann nicht die Rede sein.
Nicolas Sarkozy zählt als ehemaliger Wirtschaftsanwalt die Chefs der führenden Medienunternehmen zu seinen Klienten und Duzfreunden. Seine neoliberale Gesinnung konnte er auch als Minister unter Präsident Chirac kaum verbergen. Schon von vornherein galt er als Kandidat der Wirtschaft und fand wegen seiner guten Beziehungen zu den Meinungsmachern große Unterstützung durch die Medien.
Mit Segolene Royal hingegen, die knapp 47% der Stimmen bekam, bestand erstmals die Chance, dass eine Frau den Präsidentenstuhl in Frankreich erobert. Royal, ein politisches Ziehkind von Francois Mitterand, sorgte mit frischen Ideen für Wirbel und entfachte eine gewisse Aufbruchsstimmung in der ersten Phase des Wahlkampfs, deutsche Medien sprachen von einer „Segomania“. Sie wollte die Macht des Präsidenten einschränken zugunsten des Parlaments und die Bürger verstärkt an politischen Entscheidungen beteiligen. Zu diesem Zweck tourte sie 2006 durch die Wahlkreise und hielt „Bürgerfragestunden“ ab, in denen ihr die Wähler erzählen konnten, wo ihnen der Schuh drückte. Die Sarkozy-nahen Medien legten ihr dies sofort als Schwäche aus. Doch die „Partizipative Demokratie“, wie Royal ihr Modell ihrer ausgedehnten Bürgerversammlungen nannte, sorgte auch dafür, dass ihr Wahlkampf etwas an Fahrt verlor. Auch hatte Segolene Royal nicht die bedingungslose Unterstützung ihrer Partei. Der rechte Parteiflügel, der sich an Toni Blair und Gerhard Schröder orientierte, moserte herum, sie wäre zu links, dem linken Flügel war sie wiederum zu rechts.
Als sie in den Umfragen sogar kurzzeitig Sarkozy überflügelte, trat plötzlich ein dritter Kandidat ins Rampenlicht, dass heißt er wurde von den Medien künstlich nach oben gejubelt und man traute ihm sogar zu, anstelle von Royal in die Stichwahl zu kommen: Francois Bayrou, der Vorsitzende der liberalkonservativen Partei UDF. Zur Wahl 2002 erhielt der frühere Bildungsminister nur 6,8%, doch einige Umfragen großer Medieninstitute sahen ihn diesmal bei z.T. über 20% der Stimmen. Obwohl er wirtschaftspolitisch ein ähnliches Programm wie Sarkozy hatte, bediente er sich einer rebellischen Rhetorik. Er sprach von der Spaltung in das linke und das rechte Lager, die es zu überwinden galt, machte das ewige Lagerdenken verantwortlich für die vielen ungelösten Probleme Frankreichs usw.
Dies fand die Zustimmung breiter Bevölkerungsschichten. Als sein politisches Vorbild für die Überwindung der Links-Rechts-Spaltung nannte er aber die Große Koalition in Deutschland, was jeden deutschen Demokraten nur höhnisch auflachen lassen kann.
Es stimmt einen kritischen Beobachter schon nachdenklich, dass Bayrou ausgerechnet dann von den Medien hofiert wurde und als mögliche Alternative zu Sarkozy ins Gespräch gebracht wurde, als die sozialistische Kandidatin gute Chancen hatte, den angeblichen Gaullisten Sarkozy zu schlagen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Für Angela Merkel ist Sarkozy der ideale Verbündete, denn er möchte genau wie sie eine EU-Verfassung in Kurzform verabschieden. Auch wird er es zu keinem neuen Referendum darüber kommen lassen – im Gegensatz zu Segolene Royal, die einen neuen Volksentscheid befürwortet. Für Deutschland bedeutet dies: die Franzosen werden für uns nicht noch einmal die Kartoffeln aus dem Feuer holen und den Vertrag (EU-Verfassung) ablehnen. Nach dem Willen des neuen Präsidenten soll nur das Parlament über die neue Verfassung abstimmen und dass wird von Sarkozys Partei UMP dominiert.
Hierin ist ein Grund zu sehen, warum ein Konglomerat aus Wirtschaft, Medien und Konservativen unbedingt verhindern wollte, dass die Sozialistin Royal die Wahl gewinnt.
Für den bisherigen Präsidenten Chirac war die deutsch-französische Freundschaft eine der wichtigsten Punkte in der außenpolitischen Agenda Frankreichs. Dies könnte sich unter Sarkozy nun auch ändern, da er sich als treuen „Atlantiker“ geoutet hat und den USA des George W. Bush näher steht als sein Vorgänger. Deswegen wird der neue Präsident in Frankreich auch „Sarlozy l´ Americain“ genannt. Auch die traditionell pro-arabische und pro-palästinensische Ausrichtung Frankreichs wird wohl aufgeweicht werden, denn Sarkozy, gilt als Freund Israels und des Polit-Bulldozers Ariel Scharon. Das hinderte ihn freilich nicht daran im Wahlkampf auf die nationalistische Pauke zu hauen und im Wählerspektrum des rechtsextremen Kandidaten Jean-Marie Le Pen vom Front National (FN) Stimmen zu fangen. Doch der alte Haudegen Le Pen, der mit 10,4% den vierten Platz im ersten Wahlgang belegte, hatte wohl erkannt, dass Sarkozy nicht national, sondern allenfalls rechts-kapitalistisch ausgerichtet ist. Überraschenderweise rief er deshalb vor der Stichwahl auf, für keinen der beiden Kandidaten zu stimmen.

Während Segolene Royal den Irak-Krieg von US-Präsident Bush sowie dessen Einteilung der Welt in „gut“ und „böse“ kritisierte und sich sogar für einen Boykott der Olympischen Spiele 2008 in China aussprach, wegen der rücksichtslosen Afrikapolitik der Volksrepublik, die u.a. die Bürgerkriege im Sudan, Tschad und der Zentralafrikanischen Republik anheizt, ist der neue Präsident offenbar weniger bereit außenpolitisch auf Konfrontation zu setzen. Dafür hat der kleine Franzose, der wegen seines unbändigen Machthungers und seiner geringen Körpergröße schon einmal gelegentlich mit Napoleon verglichen wird, sein eigenes Land tief gespalten. In den Nächten nach seiner Wahl randalierten und protestierten abermals die Unterprivilegierten und verarmten Migranten aus den heruntergekommenen Vorstädten, jenes „Gesindel“, dass Herr Sarkozy als Innenminister unter Chirac mit dem „Hochdruckreiniger“ von der Straße spülen wollte.



Mit der eleganten Sozialistin Segolene Royal und dem rabiaten Gaullisten Nicolas Sarkozy hatten die Franzosen die Wahl zwischen zwei Gesellschaftsentwürfen: dem klassischen Sozialstaat mit Marktwirtschaft, der die Bürger umsorgt und womöglich sogar stärker beteiligt und einem modernern Kapitalismus, der vor allem die Eliten und die Wirtschaft begünstigt und die Spaltung des Landes zwischen arm und reich vertiefen wird. Bezeichnend war auch, dass der frisch gewählte Präsident nach der Wahl sich einen Urlaub auf der Luxusjacht eines ihm nahestehenden Milliardärs genehmigte.
Ob es Nicolas Sarkozy gelingen wird, die Grande Nation wieder zu einigen wird sich zeigen. Daß eines der wichtigsten EU-Länder aber nun von jemandem geführt wird, der eine verkürzte und im wesentlichen auf die Bedürfnisse des Kapitals zugeschnittene EU-Verfassung durchpeitschen möchte, sollte alle Demokraten in Europa alarmieren.



Kay Hanisch