Bundespräsident 2009

2009 - Deutschland wählt den Super-Präsi

Kommentar von Christin Seibt

Alles hält in Deutschland den Atem an und schaut gespannt auf den Kalender! Nur noch ca. 300 Mal morgens aus den Federn kriechen und dann ist das große Ereignis! Die Wahl des deutschen Bundespräsidenten! Und es wird so richtig spannend. Es gibt nämlich nicht nur einen Kandidaten, sondern sogar zwei! Und die LINKE debattiert noch, ob sie eine chancenlose Zählkandidatin ins Rennen schickt. Also eine gewaltige Auswahl! Damit bei der Wahl aber niemand überfordert ist, schicken die selbsternannten Volksparteien CDU und SPD wieder die gleichen Pappnasen wie zur letzten Wahl ins Rennen: den mit den Ärmelschonern eines Bürokraten auf die Welt gekommenen Amtsinhaber Hotte Köhler und Frau Professor Gesine Schwan, die mit ihrem Gebiß einen Apfel durch ein Schlüsselloch essen könnte.
Und dann noch diese Frisur – also, wen Deutschlands Karikaturisten zum Staatsoberhaupt wählen würden, kann man sich denken.

Doch mit dem Wählen ist das so eine Sache. Im Gegensatz zu autoritären Staaten wie den USA oder Simbabwe dürfen die unmündigen Deutschen in ihrem halbautoritären Land ihr Staatsoberhaupt nicht direkt wählen, sondern müssen das Vertretern, quasi Vormündern, überlassen. Dabei handelt es sich um Personen, welche die Land- und Bundestagsfraktionen, meist aus ihren eigenen Reihen, in die sogenannte Bundeswahlversammlung schicken. Um nicht den Eindruck zu erwecken, die Politiker würden unter sich ausmachen, wer den Grüßaugust für die BRD geben darf, werden auch „verdiente Persönlichkeiten aus der Gesellschaft“ (aus Adel, Jet Set und Industrie etc.) als Mitglieder in die Wahlversammlung geschleift. Eine freie Wahl wird ohnehin nicht erwartet. Man erinnere sich noch daran als beim letzten Mal die von der CDU berufene Gräfin Gloria von Thurn und Taxis nach der Wahl fröhlich verkündete, sie habe Gesine Schwan gewählt. Die CDU spuckte Gift und Galle und die Adlige erklärte naiv, sie dachte, man könne hier eine freie Wahl treffen.
Da also auch bei nur zwei Kandidaten die Gefahr besteht, dass der/die Falsche gewählt werden könnte, sollte man den Mitgliedern der Wahlversammlung nächstes Jahr eine kleine Broschüre mitgeben, in der steht, wo sie ihr Kreuz zu machen haben. Bei derzeitigen Kandidatenauswahl dürfte aber in jedem Fall der „Falsche“ gewählt werden, egal wer gewinnt.

Vielen Deutschen geht die ganze Sache am Allerwertesten vorbei, da sie meinen, die Aufgabe des Bundespräsidenten besteht in relativ sinnfreien Sonntagsreden und dem Herunterwohnen vom Schloss Bellevue. Tatsächlich ist die Aufgabe des Staatsoberhauptes eine „repräsentative“. Doch sehen Orlando Bloom oder Heidi Klum nicht viel repräsentativer aus als die beiden schlecht im Futter stehenden Kandidaten?
In Wahrheit kommt dem Bundespräsidenten eine Schlüsselrolle zu. Er kann nämlich durch seine Unterschrift Gesetze zur Geltung bringen oder aber nicht – in dem er seine Unterschrift unter diese Gesetze verweigert. Der Bundespräsident ist per Verfassung kein bloßer „Unterschriftenautomat“ – wie sich Kambodschas früherer König Norodom Sihanouk in seinem ebenfalls repräsentativen Amt bezeichnete.
Ein unabhängiger Bundespräsident hätte Deutschland vor vielen unsinnigen Gesetzen bewahren können, wie z.B. Hartz IV. Deshalb haben die Bundestagsparteien ja gerade ein Interesse daran, den Präsidenten an der kurzen Leine zu führen.

So ist es eigentlich wurscht, ob der Köhler oder der Schwan gewinnt, positive Aspekte haben die Bürger in keinem Fall zu erwarten. Der Bundespräsident bleibt eine Marionette der ausgelutschten Altparteien, deren politische Konzeptionslosigkeit ja mittlerweile das Einzige ist, was ihnen an Profil geblieben ist. Ein Bundespräsident, der vom Volk direkt gewählt wird, könnte als unabhängiges Korrektiv und als Bindeglied zwischen Bürger und Parteienfilz ... pardon ... Parteiensystem fungieren. Die Bürger würden mit der Wahl des Präsidenten mehr Einfluss auf die Politik nehmen können und mit dem Gefühl mehr bewegen zu können, würde auch der Würgreflex der Bürger geringer werden, wenn sie das Wort „Politik“ hören. Aber ohne eine neue Demokratiebewegung passiert in dieser Richtung gar nichts. Die Konzerne und ihre Polit-Amigos im Bundestag wollen keinen Volksvertreter an der Staatsspitze, sondern doch nur einen Unterschriftenautomaten. (cs)