Haider kehrt zurück

Haider kehrt zurück

Während die Landtagswahl in Bayern fast einer „Revolution“ glich, war auch die Wahl in Österreich von etlichen Überraschungen begleitet. Eine Wahlnachlese zur Nationalratswahl in unserem Nachbarland.

Zur Nationalratswahl am 28. September stellten sich bundesweit 10 Parteien und Bündnisse den Wählern - soviel, wie schon seit langem nicht mehr.
Die Wahlbeteiligung lag bei 71,48 %, worüber man sich in Deutschland gefreut hätte. In Österreich bedeutete sie aber einen Rückgang um 7 %.
Zusammenfassend kann man sagen, daß die großen Parteien, die sozialdemokratische SPÖ und die konservative ÖVP, die das Land zusammen in einer Großen Koalition regiert hatten, starke Verluste hinnehmen mußten.
Die SPÖ, die den Bundeskanzler stellte, verlor 5,7% der Wählerstimmen, wurde aber immer noch mit 29,7% stärkste politische Kraft. Dies war sehr überraschend, da die SPÖ in der Wählergunst zunächst ziemlich weit abgesackt war. Doch ihre Führungsriege bediente sich eines geschickten Sozial-Populismus, um die Stimmenverluste aufzufangen. Der Bundeskanzler Alfred Gusenbauer forderte im Frühsommer eine Volksabstimmung über den EU-Vertrag, obwohl seine Fraktion dieses Dokument zuvor im Parlament durchgewunken hatte. SPÖ-Spitzenkandidat Werner Faymann ließ im Parlament mit den Stimmen der rechten FPÖ vor der Wahl ein „5-Punkte-Programm“ zur sozialen Absicherung verabschieden. Bleibt zu hoffen, daß die Genossen es ernst meinen und diesen Maßnahmenkatalog nach der Wahl nicht wieder aushöhlen.

Die konservative ÖVP verlor mit minus 8,7% noch stärker als ihr Koalitionspartner SPÖ und erhielt 25,6% der Stimmen. Dies ist kein wirklicher gesellschaftlicher Verlust, denn die ÖVP unterstützte massiv den diktatorischen EU-Vertrag und hat in ihrer früheren Regierung unter Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) die schleichende Aushöhlung der österreichischen Neutralität betrieben. Im Wahlkampf präsentierte sich die Partei als neoliberaler Musterschüler.

Die rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) legte 7% zu und kam damit auf 18% der Wählerstimmen. Lange war der in Europa verteufelte „Rechtspopulist“ Jörg Haider Vorsitzender dieser Partei und machte die kleine FPÖ zur dritten Kraft im österreichischen Parteiensystem. Während der ÖVP/FPÖ-Koalition 1999-20006 unter Wolfgang Schüssel verließ Haider die Partei im Streit, die in diesem Wahlkampf nun von seinem ehemaligen politischen Ziehsohn Heinz Christian Strache geführt wurde und die meisten Jungwähler verbuchen konnte.

Eigentlicher Gewinner der Nationalratswahl war das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), Haiders neue Partei, von der es lange so aussah, als würde sie über den Status einer Splitter- und Regionalpartei nicht hinauskommen. Das BZÖ ist eine Art Soft-Variante der FPÖ und nimmt im Parteiensystem Österreichs eine kuriose Stellung ein. In Kärnten, wo Jörg Haider Landeshauptmann (Ministerpräsident) ist, hält die Gruppierung einen Stimmenanteil von knapp 40-50% und hat die FPÖ-Klientel weitgehend aufgesogen. Außerhalb Kärntens gelang es der Partei, die sich 2005 gründete und nach der Orangenen Revolution in der Ukraine sich ebenfalls der Farbe orange als Erkennungsmerkmal bediente, bei sämtlichen Landtagswahlen nicht, die 4%-Hürde zu überspringen. Im bisherigen Nationalrat war sie mit 4,1% (7 Mandate) vertreten. Der knappe Einzug gelang aber nur aufgrund der Kärntner Wähler. Zur diesjährigen Wahl stürzte sich Jörg Haider wieder selbst als Spitzenkandidat in den Wahlkampf und führte seine kleine Partei mit 11% ins Parlament. Auch wenn Haider wohl Landeshauptmann in Kärnten bleiben wird und verkündete, er würde dieses Amt nur gegen das des Kanzlers eintauschen, dürfte seine Person wohl neben der sozialen Unzufriedenheit der Hauptgrund für die vielen BZÖ-Stimmen gewesen sein. Haider, ganz Populist, hatte im Wahlkampf auf die soziale Karte gesetzt. Er konnte aber im Gegensatz zu Strache ganz konkrete Erfolge dank seiner Regierungsarbeit in Kärnten vorweisen, wie z.B. kostenlose Kindergärten oder Billig-Tankstellen mit vom Land subventioniertem Benzin. Seine zahlreichen sozialen Wohltaten in Kärnten hat „der Jörgi“, wie er von seinen Anhängern genannt wird, mit einer wachsenden Staatsverschuldung und dem Verkauf von Landeseigentum bezahlt. Haider trat im Wahlkampf betont staatsmännisch auf und hielt sich im Gegensatz zu Strache mit aggressiven Poltereien zurück.

Die Grünen Österreichs, die seit mehreren Jahren vom Wirtschaftsprofessor Alexander van der Bellen geführt werden, verloren 1,3% der Stimmen und erhielten 9,8%. Die Partei gilt mittlerweile in Österreich als etabliert und war von jeher bürgerlicher als ihre deutsche Schwesterpartei. Im Wahlkampf konnten sie sich aufgrund ihrer politischen Korrektheit nicht so recht vom „Langweilerimage“ befreien. Zudem dürfte das Antreten des Liberalen Forums (LiF) den Grünen weitere Stimmen gekostet haben.

Das Liberale Forum wurde 1993 von der ehemaligen FPÖ-Politikerin Heide Schmidt gegründet. Frau Schmidt hatte kurz zuvor die Freiheitlichen aus Protest gegen den Rechtskurs Jörg Haiders verlassen und bildete mit einigen Abtrünnigen eine eigene Fraktion im Nationalrat. Bei den darauffolgenden Wahlen 1995 zog das LiF wieder ins Parlament ein, verpaßte 1999 aber die 4%-Hürde und verschwand für mehrere Jahre in der politischen Versenkung. 2006 gelang dem LiF-Sprecher Alexander Zach der Einzug ins Parlament auf der Liste der SPÖ. Heide Schmidt, die zweimal als Bundespräsidentin kandidiert hatte, erstand mit ihrer Partei kurz vor der Wahl auf wie Phoenix aus der Asche. Da das LiF keine Parteienfinanzierung erhielt, war es auf andere Finanzquellen angewiesen, wie den Multimillionär und Chef des STRABAG-Baukonzerns, Hans Peter Haselsteiner. Dieser hemdsärmlige Unternehmer setzte sich sogar für die Vermögenssteuer ein und verkündete im Wahlkampf, daß „unverhältnismäßig hohe Einkommen auch unverhältnismäßig hoch besteuert werden“ dürften.
Das LiF, welches auch für ein bedingungsloses Grundeinkommen warb, ist ein klein wenig linker als die deutsche FDP. Obwohl alle Umfragen darauf hindeuteten, daß die Partei in das Parlament einzieht, blieb sie mit 1,9% weit abgeschlagen. Ein Grund dafür dürfte auch sein, daß der einzige LiF-Parlamentsabgeordnete Alexander Zach wenige Tage vor der Wahl mit Lobbyismusvorwürfen (für den Eurofighter-Hersteller EADS) konfrontiert wurde.
Heide Schmidt erklärte, das „Projekt liberale Partei“ in Österreich nach der Wahl endgültig für tot.

Eine weitere Gruppierung, die sich Chancen auf den Einzug in den Nationalrat ausrechnete, war die „Liste Fritz Dinkhauser –Bürgerforum“, oder einfach nur „Liste Fritz“ genannt. Der knorrige 68-jährige Fritz Dinkhauser war jahrelanges ÖVP-Mitglied und als solches Präsident der Arbeiterkammer in Tirol. Wegen der zunehmend unsozialen und bürgerfernen Politik der ÖVP gründete er seine Wählerliste, mit der er zur Landtagswahl 2008 in Tirol zum ersten Mal antrat und sensationelle 18% holte. Dieser Erfolg und Zustimmung aus allen Teilen der Republik beflügelten ihn, es nun bundesweit mit einer Kandidatur zu versuchen. Obwohl die Liste bei den Umfragen bis zum Schluß knapp in der Nähe der 4%-Marke lag, scheiterte sie mit nur 1,8%. Hier fällt der Spruch des slowakischen Premierministers Robert Fico ein, der vor wenigen Wochen erklärte: „Umfragen sind wie Damenbadeanzüge. Sie verdecken das, was alle sehen wollen.“
Der Start der Liste Fritz erinnert an ein ähnliches Projekt in Deutschland: die STATT Partei! 1993 kurz vor der Landtagswahl in Hamburg mit einem charismatischen Anführer und wenigen Programmpunkten gegründet, sofort Einzug in den Landtag, dann bundesweite Ausdehnung innerhalb kürzester Zeit. Es folgte das Scheitern bei der darauffolgenden Bundestagswahl!
Das der Liste Fritz ein ähnliches Schicksal beschieden sein wird, ist leider anzunehmen, zumal die Gruppierung noch wesentlich stärker von der Person ihres greisen Vorsitzenden abhängig ist, als seinerzeit die STATT Partei.

Die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) trat ebenfalls zur Wahl an und erhielt 0,77% der Stimmen. Während die Partei in der restlichen Republik eine Splittergruppe ist, gilt sie in der Steiermark, wo sie sogar im Landtag sitzt, dank des Engagements von Ernest Kaltenegger, dem „Robin-Hood der Mieter“ als relativ gut verankert. Allerdings gibt es parteiintern oft Reibereien zwischen dem starken „Realo-Verband“ in der Steiermark und den Dogmatikern in anderen Landesverbändern. Mit dem Ausbleiben der Parteienfinanzierung gerät nun auch ihr Spitzenkandidat Mirko Messner in Bedrängnis, der zur Wahlkampffinanzierung einen persönlichen Kredit aufgenommen hatte.

Erstmalig trat auch die EU-kritische Bürgerbewegung „Rettet Österreich“ (RettÖ) um Wilfried Auerbach und Karl Nowak zur Wahl an und bekam 0,72%. Nowak war 1998 Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten gewesen, unterlag Amtsinhaber Thomas Klestil aber mit nur 1,95%. Als vorrangige Ziele nannte RettÖ die Bewahrung der österreichischen Neutralität und den Kampf sowohl gegen den autoritär-neoliberalen EU-Vertrag als auch gegen gentechnisch manipulierte Nahrungsmittel. Obwohl das Wahlergebnis äußerst mager war, hatte die ursprünglich nur von zwei Familien gegründete Initiative etwas bewegt. Aufgrund tausender von ihr gesammelter Unterschriften und gemeinsam mit anderen Gruppierungen veranstalteten Demonstrationen Anfang 2008 konnte erreicht werden, daß die SPÖ nun eine Volksabstimmung über den EU-Vertrag befürwortete, da die Stimmung im Volk zu kippen drohte. Der Koalitionspartner ÖVP konnte dem überhaupt nicht folgen und so war auch die unterschiedliche Haltung der Regierungsparteien zum EU-Vertrag ein Knackpunkt, der die fragile Koalition brechen ließ.
Zur Wahl stimmten die EU-Gegner aber dann offensichtlich doch lieber für die Rechtsparteien.

Die christlich-fundamentalistische Partei „Die Christen“ (DC) bekam 0,63% der Wählerstimmen. Die Abtreibungsgegnerpartei vertrat offenbar derart radikale Standpunkte, daß sich zum Schluß selbst die katholische Kirche von ihr distanzierte.

Nur in einzelnen Wahlkreisen wählbar waren die Liste Stark, die Tierrechtspartei (TRP), die Liste Karl-Heinz Klement und das Bündnis „Die Linke“. Letzteres sollte ein Sammelbecken nach dem Vorbild der deutschen Linkspartei werden. Allerdings beteiligten sich nur wenige Gruppen an dieser gemeinsamen Liste. Ohne die KPÖ im Boot war ihre Bedeutungslosigkeit vorprogrammiert.

Nun beginnt der Koalitionspoker. Das BZÖ hält sich für nahezu alle Koalitionen offen und so kann man schwer einschätzen, wer regieren wird.







Kay Hanisch